„Keiner-soll-frieren-Plan“ gefordert
Interview mit Gesine Lötzsch zu Bundes- und Bezirkspolitik

Gesine Lötzsch im Treppenhaus vor ihrem Bundestagsbüro. Die Lichtenbergerin gewann erneut als Kandidatin der Linken ihren Bundestagswahlkreis. | Foto:  Bernd Wähner
  • Gesine Lötzsch im Treppenhaus vor ihrem Bundestagsbüro. Die Lichtenbergerin gewann erneut als Kandidatin der Linken ihren Bundestagswahlkreis.
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Bei der Bundestagswahl im September gewann Gesine Lötzsch mit 25,8 Prozent der Stimmen zum sechsten Mal in Folge das Bundestagsmandat für die Linken im Bezirk. Berliner-Woche-Reporter Bernd Wähner befragte sie zu ihren Schwerpunktthemen in der neuen Legislaturperiode und zur anstehenden Bezirksamtswahl.

Sie sind bei der Bundestagswahl im September erneut als Direktkandidatin in den Bundestag gewählt worden. Welchen Themen werden Sie sich in der kommenden Legislaturperiode schwerpunktmäßig widmen?

Lötzsch: Für mich als Haushälterin steht immer die Frage, wer die Rechnungen bezahlt. Die Pandemie hat uns bisher 450 Milliarden Euro gekostet. Meine Sorge ist, dass die Kosten wieder auf die einfachen Steuerzahler abgewälzt werden. So war es schon bei der Finanzkrise von 2008. Die Banken wurden gerettet und die Bevölkerung musste die Schulden zahlen. Die Ampel-Koalition will offensichtlich wieder so vorgehen: Die Unternehmen, die durch die Pandemie reich geworden sind, sollen nicht die Rechnung zahlen. Eine gerechte Steuerreform ist mit der FDP nicht zu machen. Es geht mir um eine gerechte Verteilung des Vermögens in unserem Land. Eine Vermögenssteuer wäre ein erster Schritt.

Auch bei der Lösung der Klimakrise soll der Otto-Normalverbraucher die Kosten tragen. Dabei haben die Vermögenden den größten CO₂-Fußabdruck. Warum müssen Millionäre im Urlaub mit der Rakete ins Weltall fliegen? Ein Flug erzeugt mehr Emissionen, als ein armer Mensch in seinem ganzen Leben erzeugen kann. Ich werde mich aber auch darum kümmern, unsinnige Ausgaben zu streichen. Zum Beispiel schippert das Kriegsschiff „Bayern“ sinnlos durch den Westpazifik. Die Emissionen der Fregatte sind beachtlich. Das hat nichts mit Landesverteidigung zu tun. Solche Ausfahrten kann man streichen.

Im ersten Antrag der Linksfraktion im neuen Bundestag geht es darum, dass ersten Erhebungen zufolge 7,4 Millionen Menschen in Deutschland, das sind 9,2 Prozent der Bevölkerung, nicht genug Geld haben, um ihre Wohnung angemessen zu heizen. Was fordert beziehungsweise regt Ihre Fraktion in diesem ersten Antrag an?

Lötzsch: Die Zahl hat mich wirklich schockiert. Ich kann es nicht fassen, dass in unserem reichen Land Menschen in ihren Wohnungen frieren. Olaf Scholz hat im Bundestag gesagt, dass wir jetzt das Land winterfest machen müssen. Genau das fordern wir in unserem Antrag. Wir wollen einen „Keiner-soll-frieren-Plan“ von der Bundesregierung. Arme Menschen sollen eine einmalige Soforthilfe von 200 Euro bekommen. Das Wohngeld muss auf der Grundlage der Bruttowarmmiete berechnet werden. Strom- und Gassperren sollten in den Wintermonaten gesetzlich verboten werden. Nach der Wahl wurde von Politikern über die Nichtwähler geschimpft. Für mich ist klar: Wer in seiner Wohnung friert oder am Ende des Monats kein Geld mehr hat, um sich etwas zu essen zu kaufen, der denkt nicht über Wahlen nach.

Sie sind Bezirksvorsitzende der Linken in Lichtenberg. Nach der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV), in der Die Linke weiterhin stärkste Fraktion ist, steht nun die Wahl des neuen Bezirksamtes an. Wie schätzen Sie den Stand der Gespräche zur Bildung einer Zählgemeinschaft ein?

Lötzsch: Natürlich haben wir als stärkste Partei in Lichtenberg das Vorschlagsrecht für das Amt des Bürgermeisters. Wir wollen, dass Michael Grunst wieder Bürgermeister wird. Wir haben mit allen demokratischen Parteien mehrfach Gespräche geführt und unsere Pläne für Lichtenberg dargestellt. Die Parteienvertreter müssen den Wählerinnen und Wählern jetzt klar sagen, was sie im Bezirk erreichen wollen. Wer eine soziale Stadt will, mit bezahlbaren Mieten, mehr Schulen und mehr Kitas, sollte auf eine Zählgemeinschaft von Linken, SPD und Grünen setzen. Dazu gibt es keine vernünftige Alternative.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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