Mit dem Senat nicht immer einig
Trotz akuten Wohnungsmangels würde Marzahn-Hellersdorf gern mehr Freiflächen unbebaut lassen
Der Wohnungsmangel in Berlin ist seit Jahren enorm. Auch im kürzlich von CDU und SPD vorgestellten Koalitionsvertrag wird die Zahl von bis zu 20.000 neuen Wohnungen genannt, die deshalb pro Jahr gebaut werden sollen. Marzahn-Hellersdorf zählt zu den Bezirken, die einen nicht unerheblichen Teil zum Gelingen beitragen sollen, doch der Bezirk hat seine eigenen Vorstellungen.
Wie Stadtentwicklungsstadträtin Juliane Witt (Linke) kürzlich bei einem Pressetermin ausführte, komme es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Senat und dem Bezirksamt, wenn es um die Entwicklung noch unbebauter Flächen gehe. Ein Beispiel sei die Langhoffstraße in Marzahn, die der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) gehört. Eigentlich sollten dort Wohnungen und eine Kita gebaut werden. Die Berliner Forsten haben die Fläche jedoch inzwischen als Wald ausgewiesen, wollten diese aber nicht übernehmen. Laut Juliane Witt sei die Senatsbauverwaltung bei ihrem Votum für Wohnungsbau geblieben, doch jetzt bleibe das Areal erst einmal zehn Jahre lang Vorhaltefläche für die Daseinsvorsorge.
Ebenfalls bei der BIM liegen die eingezäunten ehemaligen Kitaflächen im Buckower Ring 54/56 in Biesdorf und in der Hoyerswerdaer Straße 15/17 in Hellersdorf. Im Buckower Ring wollte laut Witt die Volkssolidarität kleinere Wohnblöcke errichten, sagte aus Kostengründen jedoch wieder ab. Während der Senat dort weiterhin Wohnungsbau realisieren möchte, habe das Bezirksamt den Bereich als Ökokonto-Fläche angemeldet. Dabei handelt es sich um eine Ausgleichsfläche, um die ökologischen Folgen großer Bauvorhaben abzumildern. In der Hoyerswerdaer Straße habe die Wohnungsbaugenossenschaft Wuhletal bauen wollen, verfolge diese Pläne aber seit Sommer des vergangenen Jahres nicht mehr. Der Bezirk wünsche sich dort im Gegensatz zum Senat ebenfalls keinen Wohnungsbau, sondern eine Jugendfreizeiteinrichtung.
Auch andere Standorte in Marzahn-Hellersdorf würde das Bezirksamt gern anders entwickeln als der Senat. In der Ludwig-Renn-Straße 28/30 nahe dem Bürgerpark Marzahn konnte der Bezirk verhindern, dass dort Wohnungen entstehen. Der Innenhof, wo sich ebenfalls früher einmal eine Kita befand und der heute dicht bewachsen ist, wurde inzwischen als Schulbaufläche ausgewiesen. Geplant ist, an der Stelle einen modularen Ergänzungsbau zu errichten, doch konkret ist noch nichts passiert. Den Innenhof in der Luzinstraße 11/13 in Kaulsdorf, der von der BIM als Baufläche geführt wird, würde der Bezirk wie die Fläche im Buckower Ring fürs Ökokonto in das Fachvermögen des Straßen- und Grünflächenamts zurückführen.
Wie die Stadträtin erläuterte, sollen auch in den Innenhöfen Eisenacher Straße 35, Mark-Twain-Straße 32/34, Kölpiner Straße 9/11 und Stollberger Straße 98/100 keine Wohnungsbauprojekte weiterverfolgt werden. Auch diese Flächen sollen in bezirkliches Fachvermögen zurückgeführt und die Planungsziele angepasst werden. In der Kölpiner Straße, wo ebenfalls die BIM Eigentümer ist, favorisiert der Bezirk einen Gemeinschaftsgarten und eine Kita. Aufeinandergeprallt sind der Senat und das Bezirksamt zuletzt beim Innenhof Lily-Braun-Straße 13-15 in Kaulsdorf. Der Bezirk will das von Stadt und Land dort geplante Bauvorhaben mit 150 Wohnungen unbedingt verhindern. Ob dies gelingt, ist noch unklar.
Warum sich der Bezirk bei so vielen Standorten gegen den Wohnungsbau stemmt, liegt daran, dass im Amt seit dem vergangenen Jahr wegen geänderter klimatischer Bedingungen prioritär die Sicherung von Grünflächen verfolgt wird, wenn es Möglichkeiten zur Abwägung gibt. Außerdem wird vielerorts beobachtet, dass die soziale Infrastruktur nicht so schnell mitwächst, wie Hendrik Keßlau, Leiter des bezirklichen Stadtentwicklungsamts, betonte. Nach Auskunft von Juliane Witt habe man sich vorgenommen, dass nur noch versiegelte statt unversiegelte Flächen bebaut werden und Wohnbauprojekte lieber in die Höhe statt in die Breite gehen sollen. Außerdem sollen Parkplätze nur noch auf dem eigenen Grundstück eingerichtet werden, wie zum Beispiel in der Pöhlbergstraße in einer Art Freiluftgarage, Neubauten mit Geschäften geplant und Nachbarn frühzeitig informiert werden.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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