Dramatische Berichte
Elternvertreter aus Marzahn-Hellersdorf klagen über überfüllte Schulen

Von Gedrängel in den Treppenhäusern und Kindern, die lieber hungern statt im überfüllten Speiseraum ewig anzustehen, berichten Eltern aus der Grundschule unter dem Regenbogen in Marzahn. | Foto:  Philipp Hartmann
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  • Von Gedrängel in den Treppenhäusern und Kindern, die lieber hungern statt im überfüllten Speiseraum ewig anzustehen, berichten Eltern aus der Grundschule unter dem Regenbogen in Marzahn.
  • Foto: Philipp Hartmann

Zu wenig Schulplätze, ein hoher Krankenstand bei den Lehrkräften infolge von Überlastung und Konflikte unter Schülern durch überfüllte Räume und Schulhöfe. Die Situation an den Schulen im Bezirk ist wie in ganz Berlin zum Teil dramatisch. Das belegen Berichte von Eltern, die der Landeselternausschuss veröffentlicht hat.

Laut dem Berliner Senat fehlen in Marzahn-Hellersdorf aktuell etwa 2300 Grundschulplätz. Diese alarmierende Situation werde sich wohl erst zum Schuljahr 2030/31 entspannen. Vor diesem Hintergrund und dem großen Unmut in der Elternschaft rief der Landeselternausschuss Ende des vergangenen Jahres gezielt Elternvertreter und Eltern einzelner Schulen in Berlin auf, ihre Erfahrungen mitzuteilen, zehn in Marzahn-Hellersdorf, zwei in Tempelhof-Schöneberg und drei in Mitte. Die Berichte decken schonungslos auf, was in der Berliner Schulpolitik in den vergangenen Jahren versäumt wurde. Die drei Mütter vom Vorstand der Gesamtelternvertretung der Kolibri-Grundschule in Hellersdorf berichten zum Beispiel, dass sich die Schülerzahlen in den vergangenen sechs Jahren fast verdoppelt hätten, ohne dass die Schule vergrößert wurde. Aus diesem Grund seien Fach- und Teilungsräume zu Klassenzimmern umgebaut worden.

Der Hortbereich platze aus allen Nähten. Ganze Jahrgänge müssten in andere Schulen ausgelagert und mit Bussen mehr als acht Kilometer im Berufsverkehr zum nächsten freien Containerbau transportiert werden. Pausenzeiten könnten nicht entsprechend genutzt werden, da die Schüler zum Mittagessen oder zum Sportunterricht den Standort wechseln müssten.

Da die Sporthalle viel zu klein für die explodierenden Schülerzahlen sei, müsse der Unterricht zum Teil in der nullten Stunde stattfinden. Teilweise müssten drei Klassen gleichzeitig, also 75 Kinder, unterrichtet werden. Ein weiteres Problem seien die in den Pausen nicht ausreichenden Sanitäranlagen in der Schule. „Viele Kinder verbringen die Pause mit dem Warten auf eine freie Toilette. Wenn sie es dann doch mal in die Hofpause schaffen, können sie sich dann am Klettergerüst oder an der Rutsche in die nächste lange Schlange einreihen. Denn auch hier ist es einfach voll“, heißt es in dem Bericht. Und weiter: „Das Mittagessen muss schnell eingenommen werden, damit die nächsten Kinder Platz zum Sitzen haben.“ Durch die zunehmend beengten Verhältnisse komme es immer öfter zu Eskalationen unter den Schülern.

Die Elternvertreterin der Grundschule unter dem Regenbogen in Marzahn Christiane Brokmann berichtet von einem großen Gedrängel in den Treppenhäusern, wenn es zur Pause oder zurück in die Klassen geht. „Kleinere Kinder müssen schon sehr stark achtgeben, damit sie von den größeren Schülern nicht geschubst oder weggedrückt werden. Auf den Pausenhöfen ist die Situation nicht anders. Wenn die Kinder keinen Platz zum Spielen haben, dann schaffen sie sich einen, indem sie andere Kinder wegstoßen oder es zu aggressiveren Auseinandersetzungen kommt“, schreibt sie. Der Speiseraum sei vor ein paar Jahren erweitert worden, stoße jedoch inzwischen wieder an seine Grenzen für die Vielzahl an Schülern, die dort ein Mittagessen bekommen sollen. Die Folge: „Einige Kinder hungern lieber, bevor sie sich ewig in der Schlange anstellen oder ihr Essen schlingen müssen.“

Regelrecht verzweifelt liest sich der Bericht der GEV-Vorsitzenden der Johann-Strauss-Grundschule in Biesdorf Mandy Hundertmark. Sie schreibt von dem jahrelangen Engagement der Eltern und des Schulpersonals, um trotz der Platznot für die Kinder das Bestmögliche herauszuholen. „Wir sind zusammengerückt, haben Kompromisse geschlossen und immer wieder Lösungen gefunden – in der Hoffnung: Es wird kurz- bis mittelfristige Entlastung durch den Bau fehlender räumlicher Kapazitäten geben. Diese Hoffnung schwindet. Das macht uns Angst!“ Weitere teils dramatische Situationsbeschreibungen kommen aus der Kiekemal-Grundschule in Mahlsdorf, wo Eltern gleich eine ganze „Chronologie des Versagens“ auflisteten, der Grundschule an der Geißenweide und der Grundschule am grünen Stadtrand in Marzahn, der Friedrich-Schiller-Grundschule in Mahlsdorf, der Grundschule an der Wuhle in Kaulsdorf, der Mahlsdorfer Grundschule sowie der Bücherwurm-Grundschule in Hellersdorf.

Alle Berichte können im Internet in voller Länge auf https://bwurl.de/18jy nachgelesen werden.

Von Gedrängel in den Treppenhäusern und Kindern, die lieber hungern statt im überfüllten Speiseraum ewig anzustehen, berichten Eltern aus der Grundschule unter dem Regenbogen in Marzahn. | Foto:  Philipp Hartmann
Berichte über "akuten Raummangel" kamen unter anderem von Eltern der Kiekemal-Grundschule am Hultschiner Damm in Mahlsdorf. | Foto: Philipp Hartmann
Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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