Schonungslose Einblicke in die Großsiedlung
Diana Lehmann hat eine Fortsetzung ihres Romans „Berlin.Plattenbau“ geschrieben
Zwei Jahre nach ihrem Debütroman über die Arbeit im Jugendamt Marzahn-Hellersdorf hat die Autorin Diana Lehmann den Fortsetzungsroman „Berlin.Plattenbau Charly“ veröffentlicht. Wieder geht es um die harte Realität der Kinder in der Großsiedlung und den Berufsalltag im Jugendamt.
„Das Jugendamt wird meist viel zu spät gerufen“, sagt Diana Lehmann (39). Da seien die Kinder schon zusammengeschlagen worden oder verwahrlost. Die Mitarbeiterin des bezirklichen Jugendamtes muss in solchen Fällen entscheiden, wie es für das Kind weitergeht, selbst wenn es trotz aller Umstände bei den Eltern bleiben will.
Seit sechs Jahren arbeitet die Sozialarbeiterin im Regionalen Sozialpädagogischen Dienst im Jugendamt Marzahn-Hellersdorf. Die Erlebnisse aus ihrem Berufsalltag und Bemerkungen ihrer Kollegen und Kolleginnen bewogen die zweifache Mutter, die schon einen Burn-out hinter sich hat, einen Roman über die Arbeit des Jugendamtes zu schreiben. Sachbücher zu schreiben, liege ihr nicht. Deshalb habe sie sich für Romane entschieden. „Ich wollte aufzeigen, wie das wirklich abläuft.“
Im Dezember 2019 veröffentlichte die Sozialarbeiterin ihren viel beachteten Debütroman „Berlin.Plattenbau“. Ungeschönt schildert sie darin das Leben in der Plattenbausiedlung und das Schicksal mancher Kinder. Im Mittelpunkt steht die 15-jährige Leni und ihre tragische Geschichte. Nachdem Leser fragten, was aus den Geschwistern wurde, entschied sie sich, eine Fortsetzung zu schreiben. Darin geht es um die gewalttätige Schwester Charly, die bei einer Konfrontation gern mal das Messer zückt. Die Figur soll bewusst polarisieren. Auch fallen reichlich Schimpfwörter. Ihren Schreibstil bezeichnet sie als schonungslos. „Das ist authentisch“, sagt sie.
Für die Hauptperson in ihrem zweiten Roman, die zwölfjährige Charly, zum Beispiel habe es im realen Leben kein Vorbild gegeben, aber ihr Verhalten sei sehr typisch. In diesem Zusammenhang verweist Diana Lehmann auf den preisgekrönten deutschen Film „Systemsprenger“ mit Helena Zengel. Die Kinderdarstellerin spielt darin ein neunjähriges Mädchen, das durch unkontrollierte Wutanfälle durch alle Raster der deutschen Kinder- und Jugendhilfe fällt. „Solche Kinder kenne ich auch von meiner Arbeit. Jeder hat so zwei bis drei Systemsprenger.“ Nicht erfunden sei die Darstellung ihres Arbeitsalltags. „Die Passagen, die im Jugendamt spielen, laufen eins zu eins so ab.“
Die Reaktionen auf ihren Debütroman waren sehr positiv. Ihr Arbeitgeber begegne ihrem Buchprojekt ganz offen. „Ich musste nur unterschreiben, dass ich keine echten Namen verwende.“ Ihre Chefin sei von dem Roman gefesselt gewesen. Die damalige Bürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) habe privat zehn Bücher bei ihr bestellt. „Sie wollte das Thema in die Politik übertragen“, sagt Diana Lehmann. Auch ihre Arbeitskollegen hätten das Buch gelobt.
In ihren Büchern finden sich auch einige autobiografische Elemente wieder. „Ich komme aus einer Familie, die ich heute betreuen würde.“ Diana Lehmann ist in Sachsen-Anhalt in einer Plattenbausiedlung aufgewachsen ist. Ihre Eltern seien arbeits- und antriebslos gewesen. Sie könne deshalb nicht auf eine schöne Kindheit zurückblicken. 2005 zog sie nach Marzahn. Auch dort wohnte sie zwei Jahre lang in der Platte. Von dem Leben dort hatte sie aber bald genug. Ihr Schlüsselerlebnis: „Ich musste mit meinem Säugling im Treppenhaus über meinen besoffenen Nachbarn steigen.“
Heute lebt sie mit ihrer Familie östlich von Berlin und plant schon einen dritten Roman. Geschrieben sei zwar noch kein einziges Wort, doch die Handlung habe sie bereits im Kopf.
Die Bücher von Diana Lehmann kosten jeweils 16,66 Euro und können online auf ihrer Internetseite berlin-punkt-plattenbau.de bestellt werden.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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