"So etwas gibt es nicht in der freien Wirtschaft“
Mit Vanessa Krah hat Marzahn-Hellersdorf erstmals eine Queer-Beauftragte
Vanessa Krah redet schnell, lacht viel und strahlt positive Energie aus. Zum 1. Juli hat sie eine unbefristete Stelle angetreten, die es im Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf bisher nicht gegeben hat. Die 27-Jährige ist Beauftragte für Queer, Städtepartnerschaften und Freiwilliges Engagement.
Verwaltungsarbeit kenne sie nicht, aber die Stellenausschreibung im Internet habe sie sofort angesprochen. „Ich habe das Gefühl gehabt, dass es so eine Stelle nicht in der freien Wirtschaft gibt.“ In ihrem neuen Job soll sie sich als Queer-Beauftragte vor allem dafür einsetzen, dass die Akzeptanz sowie Sichtbarkeit der LSBTIQ+-Gemeinschaft sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bezirksverwaltung gestärkt wird. Dazu gehört, freie Träger, Organisationen und Privatpersonen zur Verbesserung der Lebenssituation der LSBTIQ+-Gemeinschaft im Bezirk zu unterstützen und zu beraten.
„LSBTIQ+“ ist eine Abkürzung, die auch im Bezirksamt den einen oder anderen Mitarbeiter rätseln lässt. Dass es bei diesem Thema noch viele Wissenslücken gibt, hat Vanessa Krah gleich in ihrer ersten Arbeitswoche mitbekommen, als sie sich einem älteren Kollegen vorgestellt hat. „Queer, was ist das überhaupt?“, habe der Mann sie gefragt. Andere hätten dagegen schon ganz viel gewusst.
Das Bezirksamt sei ein Querschnitt der Gesellschaft. Sie sei aber bisher ausschließlich auf offene Türen gestoßen, berichtet sie, und Aufklärung möchte sie bald auch in Mitarbeiterworkshops bieten. „LSBTIQ“ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans-, intergeschlechtliche und queere Menschen, das „+“ für alle weiteren zu dieser Bevölkerungsgruppe gehörenden Menschen, die beispielsweise aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität strukturelle Ausgrenzung und Benachteiligung erfahren. Als „queer“ werden Personen bezeichnet, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen oder sich nicht mit ihrem von außen zugeschriebenem Geschlecht identifizieren. Eine einheitliche Definition für diesen Ausdruck gibt es jedoch nicht.
„Man geht davon aus, dass in Großstädten zehn Prozent der Menschen zur queeren Community gehören“, sagt Vanessa Krah. In einem Bezirk wie Marzahn-Hellersdorf mit mehr als 270 000 Einwohnern wären das also gut 27 000 Menschen. Nicht nur deshalb betont Bürgermeister Gordon Lemm (SPD), in dessen Geschäftsbereich die eigens geschaffene Stelle angesiedelt ist: „Die Besetzung der neuen Stelle ist ein längst überfälliger und entscheidender Schritt, um ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen und Haltung zu zeigen. Als Berliner Verwaltung möchten wir allen Menschen offen begegnen und Vielfalt und Diversität im Bezirk fördern.“ In drei anderen Bezirksämtern gibt es laut Vanessa Krah bereits ähnliche Stellen. Als junge Frau bringt sie nun frischen Wind nach Marzahn-Hellersdorf. Den Bezirk selbst müsse sie erst noch kennenlernen, gibt sie unumwunden zu.
Geboren ist sie in Bayern. Seit zwölf Jahren lebt sie in Berlin, ist in Reinickendorf zur Schule gegangen und wohnt seit zwei Jahren in Lichtenberg. Nach ihrem Bachelorstudium in Politik und Wirtschaft hat sie 2021 ihren Master in Politikwissenschaften an der Uni Potsdam zu den Hauptthemen Menschenrechte und Antidiskriminierung abgeschlossen.
Im Bezirk sieht sie schon einige positive Entwicklungen, was die Sichtbarkeit queerer Menschen angeht. Als Beispiele nennt sie das Straßenfest „Marzahn Pride“ und das Hissen der Regenbogenflagge vor dem Rathaus. Noch viel Nachholbedarf gibt es ihrer Meinung nach bezüglich der Akzeptanz queerer Menschen. Besonders Transpersonen würden ihr immer wieder von Anfeindungen und Angriffen auf der Straße sowie fehlenden Ärzten, an die sie sich wenden können, erzählen. Es fehle zudem an sicheren Räumen, Anlaufstellen und Beratungsangeboten. Ein großer Fortschritt wäre da die Einrichtung eines Regenbogenzentrums, das genau wie die Einführung der Stelle einer Queer-Beauftragten von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen wurde. 20 000 Euro hat Vanessa Krah zur Erarbeitung eines Konzepts zur Verfügung. Noch in diesem Jahr will sie damit eine Machbarkeitsstudie beauftragen.
Kontakt zu Vanessa Krah unter Telefon 90 293 2016 oder per E-Mail an vanessa.krah@ba-mh.berlin.de.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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