120 Groß-Berlin
Aus Gemeindeverwaltungen wurden Amtsstellen von Lichtenberg

Im Gebäude Alt-Kaulsdorf 14-18 war bis etwa 1920 das Restaurant Goetze´s Berggarten, später der Industriebetrieb Märkische Wachsschmelze. Heute gibt es hier ein asiatisches Restaurant mit Hotel.  | Foto: Archiv Gärtner
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  • Im Gebäude Alt-Kaulsdorf 14-18 war bis etwa 1920 das Restaurant Goetze´s Berggarten, später der Industriebetrieb Märkische Wachsschmelze. Heute gibt es hier ein asiatisches Restaurant mit Hotel.
  • Foto: Archiv Gärtner
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Die Eingemeindung nach Groß-Berlin im Oktober 1920 war für alle Dörfer und Gutsbezirke am Rande der Metropole eine einschneidende Zäsur. Nicht nur die Art und Weise der Verwaltung änderte sich, sondern weitgehend auch der Lebensstil.

Die Bildung von Groß-Berlin knüpfte an eine jahrzehntelange rasante Entwicklung an. Vor allem die Gründung der preußischen Ostbahn hatte die ehemaligen Dörfer des heutigen Bezirks Marzahn-Hellersdorf enger an die Hauptstadt gebunden. Zunächst Kaulsdorf (1869), dann Biesdorf (1885), und schließlich Mahlsdorf (1895) hatten Bahnhöfe bekommen.

Diese Dörfer waren durch den Ausbau des Verkehrsnetzes zum Zeitpunkt ihrer Eingemeindung in Berlin längst zu Ausflugszielen für die Berliner und mit der Sogwirkung der Hauptstadt als Wirtschaftsstandort zu einem Wohnort für Unternehmer, Angestellte und Arbeiter geworden. Die Bevölkerung war stark gewachsen.

Zum Zeitpunkt der Eingemeindung hatte Biesdorf knapp 3000 Einwohner, Kaulsdorf etwa 3400 und Mahlsdorf etwas mehr als 6000. Die selbstständigen Gutsbezirke wie Biesdorf nur rund 120 und Hellersdorf mit dem Bereich Wuhlgarten rund 250. Vergleichsweise niedrig war die Zahl der Einwohner in dem von der Bahn abgehängten Dorf Marzahn mit rund 750 Einwohnern.

Die anderen Dörfer hatten zudem den Vorteil, an der Fernstraße nach Frankfurt/Oder zu liegen, später Reichsstraße 5, der heutigen B1/B5. Allein in Biesdorf gab es vier Lokale an der Fernstraße, in Kaulsdorf sechs und in Mahlsdorf drei. Andere Gaststätten befanden sich an den Bahnhöfen oder an idyllischen Orten wie der Grenze zum Köpenicker Waldgebiet.

Darüber, wie die Bewohner der Gemeinden des Landkreises Niederbarnim den Übergang nach Berlin aufnahmen, gibt kaum Unterlagen. „Leider sind durch Schäden im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges Gemeindeunterlagen und auch Lokalzeitungen in den Archiven zerstört worden“, sagt Dorothee Ifland, Leiterin des Bezirksmuseums. Laut den wenigen erhaltenen Dokumenten wurde lediglich im weiter ländlich geprägten Dorf Marzahn Zweifel und Kritik an der Eingemeindung geübt. In den anderen Gemeindevertretungen der Dörfer war die Stimmung eher positiv. Hier lebten viele Menschen, die in Berlin arbeiteten.

Mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Bildung von Groß-Berlin am 1. Oktober 1920 wurden die bis dahin selbstständigen Dörfer Biesdorf, Marzahn, Kaulsdorf und Mahlsdorf, einschließlich der Gutsbezirke Biesdorf und Hellersdorf, Teil des neu gebildeten Berliner Stadtbezirks Lichtenberg. Der Selbstverwaltung wurde aufgegeben, die Gemeindevorstände verloren ihr Amt und Gemeindevertretungen wurden aufgelöst.

Mit der Bildung von Groß-Berlin war das Versprechen einhergegangen, damit eine Dezentralisierung der Stadtverwaltung zu verbinden. Das Gegenteil fand anschließend statt. Der Magistrat zog alle Entscheidungen weitgehend an sich. Eine gewisse Selbstständigkeit erhielten die Bezirke bei der Schulpolitik. Der neue Verwaltungsbezirk Lichtenberg wurde zunächst in nummerierte Unterbezirke aufgeteilt. Hier fungierten Amtsstellen als Anlaufpunkte für deren Bewohner.

Die Bewohner des neuen Stadtbezirks beschäftigte vor allem die Wohnungsnot nach dem verlorenen Krieg. Während die Bevölkerungszahl von ganz Berlin nach der Eingemeindung bis 1933 nur um fünf Prozent stieg, betrug die Steigerungsrate beispielsweise in Kaulsdorf fast 70 Prozent. Bis 1936 stieg die Zahl der Bewohner von Kaulsdorf auf 10 455, von Mahlsdorf sogar auf 19 331. Hellersdorf und Marzahn hatten zu dem Zeitpunkt insgesamt 3682 Einwohner. Die Stadt versuchte durch Parzellierungen von Grundstücken den Wohnungsbau voran zu treibem, was oft an finanziellen Problemen scheiterte. Die Zahl der Anträge auf Wohnraum stieg rasant. Wer ein eigenes Grundstück mit Laube hatte, versuchte, sich diese auszubauen.

Autor:

Harald Ritter aus Marzahn

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