Wenig Interesse am Bürgerhaushalt
Beteiligung und Stimmenabgabe der Bürger sanken kräftig
Beim Bürgerhaushalt können Bürger aus Marzahn-Hellersdorf Vorschläge machen und direkt mitentscheiden, wofür das Bezirksamt einen Teil seiner Haushaltsmittel ausgeben soll. Die jeweils 200 000 Euro, die für die Jahre 2024 und 2025 zur Verfügung stehen, sind dabei keine Kleinigkeit. Die Resonanz ist diesmal allerdings deutlich geringer gewesen als in den Vorjahren.
Beim Bürgerhaushalt 2022/2023 wurden 183 Vorschläge eingereicht. Dieses Mal waren es nur noch 120. Noch drastischer fällt der Unterschied bei der Stimmenabgabe aus. Wurden beim vergangenen Bürgerhaushalt noch 4722 Stimmen abgegeben, waren es nun lediglich 1092. Mit anderen Worten: 2022/2023 wurden mehr als viermal so viele Stimmen abgegeben wie in diesem Jahr.
Ein Zeichen von fehlendem Interesse an dieser Möglichkeit der Mitbestimmung? Einen Einbruch bei der Beteiligung „finde ich sehr schade“, sagte Bürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU) auf Nachfrage der Berliner Woche. Als Grund dafür sieht sie den Wechsel des für die Vorschläge und Abstimmung genutzten Systems. So habe der Bezirk erstmals auf „mein.berlin.de“, die zentrale Beteiligungsplattform des Landes Berlin, ausweichen müssen. Zuvor hatte der Bezirk ein eigenes System verwendet. Dafür stand die Internetadresse www.mischen-sie-mit.de zur Verfügung. Dieses seit vielen Jahren etablierte und bewährte Beteiligungsportal zum Bürgerhaushalt im Bezirk habe laut Zivkovic aus technischen Gründen nicht weitergeführt werden können. Die Internetseite wurde zum 31. Dezember 2022 durch den Betreiber abgestellt.
Um sich auf „mein.berlin.de“ am Bürgerhaushalt beteiligen zu können, mussten Bürger zunächst ein Nutzerkonto anlegen. Dieses Prozedere habe, so die Vermutung der Bürgermeisterin, viele Menschen abgeschreckt. „Das Portal schwächt wohl die Beteiligung“, erklärte Zivkovic. Das „Handling“ sei für die Bürger nicht so einfach gewesen wie bei dem zuvor genutzten Portal. An diesem Zustand werde sich aber wohl in Zukunft nichts ändern, denn der Bezirk habe keine Ressourcen für ein eigenes System. „Das ist im Moment der Stand. Wenn es eine alternative Lösung gäbe, wäre ich dafür offen“, betonte sie.
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschäftigt sich bereits seit Monaten damit, das Bürgerhaushaltsverfahren zu verbessern, fortzuführen und dafür die nötigen Finanz- und Personalmittel durch das Bezirksamt im kommenden Haushalt einzustellen. Ein entsprechender Antrag der Linkspartei wurde in der Juni-Sitzung der BVV vor der Sommerpause beschlossen. Der Bezirksverordnete Steffen Ostehr bestätigte auf Nachfrage, dass auch seine Partei die Plattform mein.berlin.de als nicht im selben Maße dazu geeignet ansieht wie das frühere Beteiligungsportal. „Die schlechtere Bedienbarkeit und geringere Bekanntheit im Vergleich zum etablierten Beteiligungsportal waren sicher Hemmnisse für Bürgerinnen und Bürger, am Verfahren teilzunehmen“, erklärte der Sprecher für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung in der Linksfraktion. Die geringe Beteiligung könnte laut Ostehr aber auch damit zu tun haben, dass das Bürgerhaushaltsverfahren diesmal im Windschatten der Wahlwiederholung im Februar stattfand. Damit habe es einen schwereren Stand im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit gehabt.
Für die Zukunft fordert der frühere BV-Vorsteher, dass das Bezirksamt das Verfahren wieder unter Einbeziehung von Akteuren vor Ort und in den Kiezen durchführt. Wie in früheren Jahren müssten die Vorschläge wieder in den Stadtteilzentren ausgelegt und damit Nutzer zum Abstimmen und zum Einbringen eigener Projekte motiviert werden. Um technische Probleme zu vermeiden und unabhängig in der Durchführung zu sein, solle wieder eine eigenständige Plattform eingeführt werden.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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