Bürgermeisterin setzt sich über Beschlüsse hinweg
Nadja Zivkovic schlägt dem Senat ohne Rücksprache mit der BVV drei Grundstücke zur Bebauung vor
Marzahn-Hellersdorf diskutiert seit Jahren darüber, was aus den immer weniger vorhandenen Freiflächen im Bezirk werden soll. Dabei stellte sich das Bezirksamt bis zur Wiederholungswahl immer wieder gegen die Pläne des Senats. Jetzt vollzieht der Bezirk offenbar eine Kehrtwende.
Ein Brief von Bürgermeisterin Nadja Zivkovic (CDU) an Bausenator Christian Gaebler (SPD) vom 21. Juli wird von Grünen und Linkspartei in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) heftig kritisiert. Hintergrund ist, dass Zivkovic dem Land Berlin drei Grundstücke im Bezirk zur Nutzung anbietet, deren Verwendung aber Beschlüssen der BVV und des Bezirksamts widersprechen. Bei den Grundstücken handelt es sich um den Buckower Ring 54/56, die Hoyerswerdaer Straße 15/17/27 und die Langhoffstraße 9/11. Auf letzterem ist ein Wäldchen entstanden. Die BVV hat im April vergangenen Jahres das Bezirksamt in einem Beschluss aufgefordert, das Gehölz zu erhalten und von einer Bebauung abzusehen. Das Bezirksamt unter der damaligen Stadtentwicklungsstadträtin Juliane Witt (Die Linke) folgte dem Ersuchen im Mai dieses Jahres. In ihrem Schreiben bietet Zivkovic das Grundstück als Erweiterungsstandort für die Grundschule unter dem Regenbogen an.
Die Grünfläche im Buckower Ring, so beschloss es die BVV erst im Juni, sei für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu verwenden. Auch in diesem Beschluss wurde das Bezirksamt ersucht, von einer Bebauung abzusehen. Dem Antrag der Grünen waren die Linke, die SPD und auch die CDU beigetreten. Zivkovic führt als mögliche Nutzungsmöglichkeit für das Grundstück in ihrem Brief die „Trägernutzung zur Erweiterung der Angebote von Hilfe zur Erziehung“ auf.
Im Fall Hoyerswerdaer Straße heißt es in einem Beschluss des Bezirksamts aus dem November 2022: „Das Bezirksamt beschließt, das Grundstück Hoyerswerdaer Straße 15/17 als Fläche für eine Jugendfreizeiteinrichtung zu entwickeln. Eine Wohnbebauung am Standort wird durch das Bezirksamt abgelehnt.“ Die Bürgermeisterin schlägt in ihrem Schreiben vor, dass das Grundstück als Ersatzstandort für die modulare Flüchtlingsunterkunft in der Maxie-Wander-Straße genutzt werden sollte, um den Bau einer Grundschule zu ermöglichen. Somit würden zwei Grünflächen bebaut, die laut Beschlüssen der BVV und des Bezirksamts erhalten bleiben sollen und ein Grundstück für ein anderes Bauprojekt als vorgesehen freigegeben.
Bis zur Wahl im Februar dieses Jahres lag die Verantwortung für Umwelt und Stadtentwicklung in den Händen von Juliane Witt (Die Linke). Seither wird das Ressort jedoch von der CDU verantwortet. Heike Wessoly ist für Stadtentwicklung und Nadja Zivkovic als Bürgermeisterin auch für die Grünflächen zuständig. Mit ihrem Schreiben an den Bausenator Christian Gaebler (SPD) setzte sich Zivkovic nun über die gefassten Beschlüsse der BVV und des Bezirksamts hinweg. Dass sie darin die Grünflächen Buckower Ring 54/56 und Langhoffstraße 9/11 zur Bebauung anbietet, stößt insbesondere bei den Grünen auf Widerstand, die die Bäume dort unbedingt erhalten wollen.
Für Irritationen sorgte Zivkovic unter anderem auch damit, dass sie in ihrem Brief die Standorte Hohenwalder Straße 15 und Ludwig-Renn-Straße 28 als mögliche Standorte für modulare Flüchtlingsunterkünfte (MUF) anbietet. Zugleich schreibt die Bürgermeisterin über die Erstaufnahmeeinrichtung Brebacher Weg in Biesdorf, dass dort Wohnungen für Studenten und Auszubildende gebaut werden könnten. Die Grünen und die Linken sehen die dort befindliche ehemalige Unterkunft hingegen als geeignet für eine Wiederinbetriebnahme an. In ihrem Schreiben klammert Zivkovic auch die fachliche Einschätzung des Sozialamts aus, wonach der Standort Ludwig-Renn-Straße als ungeeignet für eine MUF bezeichnet wird. Zudem heißt es darin, dass im Falle einer MUF in der Hohenwalder Straße die siebente in der Bezirksregion Marzahn liegen würde. Schon jetzt befinden sich sechs von zehn Unterkünften im Bezirk in diesem Gebiet. Eine weitere wird vom Sozialamt als „sozial unverträglich“ eingeschätzt.
„Es ist alarmierend, dass ohne jegliche Rücksprache und teils entgegen internen Einigungen Grundstücke dem Stadtentwicklungssenator für alternative Nutzungen angeboten werden“, kritisieren die Grünen. „Das Handeln von Frau Zivkovic ist nicht nachvollziehbar. Es wird mit Absprachen sowie – bisher gerade bei der Verteilung von Geflüchteten üblicher – kollegialer Zusammenarbeit einfach gebrochen. Wir sind schockiert über das Vorgehen der Bürgermeisterin“, sagte die Bezirksverordnete Chantal Münster. Die Linken kritisierten den „Alleingang“ der Bürgermeisterin und forderten „einen umgehenden Stopp dieses fatalen Kurses“. Zivkovics Brief an den Senat sei „ein einmaliger Vorgang in der Bezirkspolitik der vergangenen Jahre“. Für alle im Brief genannten Grundstücke gebe es bereits seit Längerem klare Vereinbarungen von BVV und Bezirksamt zur Stärkung der sozialen und ökologischen Infrastruktur. Als Hintergrund vermuten Grüne und Linke „parteipolitische Gründe“. Diesem Vorwurf widerspricht die CDU-Politikerin jedoch entschieden.
Auf Nachfrage der Berliner Woche erklärte Zivkovic, dass die im Brief gemachten Vorschläge mit den für infrastrukturelle Maßnahmen zuständigen Bereichen abgestimmt worden seien. Im Bezirksamt habe man sich über die Nutzung der drei Grundstücke Buckower Ring 54/56, Hoyerswerda Straße 15,17,27 und Langhoffstraße 9/11 verständigt, weil diese am 21. August in der Senatsbaukommission behandelt werden sollten. Das Grundstück in der Langhoffstraße werde laut Zivkovic dringend für die Schulnutzung benötigt. Für die Hoyerswerdaer Straße sei die Verständigung, diesen Standort als Jugendfreizeiteinrichtung (JFE) mit zum Beispiel betreutem Wohnen in der Senatsbaukommission anzubieten. „Denn selbst können wir die JFE nicht bauen, weil uns die Mittel fehlen. Wenn es aber im Verbund mit dem Bau von betreutem Wohnen passiert, wäre das eine gute Lösung. Und wir benötigen dringend die Grundschule in der Maxie-Wander-Straße. Deshalb ist es notwendig, dass wir einen Ersatzstandort für die dortige MUF finden, daher haben wir diese Angebote gemacht.“
Zum Standort Brebacher Weg sei ihr kein positives Votum des Berliner Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten bekannt. Daher habe sie die Flächen Hohenwalder Straße 15 und Ludwig-Renn-Straße 28 vorgeschlagen. Ohne einen Umzug der MUF könne die dringend benötigte Grundschule nicht gebaut werden.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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