Neue Broschüre erschienen
Regionalhistoriker Dirk Jordan stellt stille Heldinnen und Widerständler vor
Sie versteckten in ihrem Haus im Eiderstedter Weg verfolgte Juden, obwohl keine 100 Meter weiter ein SS-Gruppenführer wohnte: Die Schwestern Gertrud und Margarethe Kaulitz aus dem Eiderstedter Weg bewiesen Mut in einer dunklen Zeit. Sie gehören zu den Persönlichkeiten, deren Lebensweg der Reginalhistoriker Dirk Jordan in seiner neuen Broschüre „Menschlichkeit und Widerstand in Schlachtensee 1933-1945“ vorstellt.
Um „Stille Heldinnen und am 20. Juli 1944 Beteiligte aus Schlachtensee“ geht es in der neuen Publikation. So wird unter anderem der Lebensweg von zwei Militärs beleuchtet. Einer davon ist Admiral Wilhelm Canaris, der im heutigen Waldsängerpfad wohnte. Er wurde am 9. April 1945 gemeinsam mit Dietrich Bonhoeffer und anderen im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt.
Lebenslauf mit Brüchen
Zuvor war er von 1934 bis 1944 Chef des Deutschen Nachrichtendienstes. Am Attentat auf Hitler war Canaris nicht direkt beteiligt. Bei Untersuchungen der geheimen Staatspolizei wurde allerdings sein Tagebuch gefunden und damit sein Kontakt zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus bekannt.
Als „nicht einfach zu bewertende Persönlichkeit“ bezeichnet Jordan den Admiral. „Widerstand gegen und aktive Teilhabe am NS-System - wie passt das zusammen?“ Canaris war mit zentralen Figuren des Regimes bekannt, unter anderem mit Reinhard Heydrich, dem Leiter des Reichssicherheitsamtes. Andererseits unterstützte er bedrohte Nachbarn und Freunde. Canaris Biographie sei eine „zutiefst menschliche: mit Irrtümern, Unvollkommenheiten und Brüchen“, schreibt Jordan.
Oberstleutnant Cäsar von Hofacker ist ein weiteres Kapitel gewidmet. In Paris war er die zentrale Person des europaweit vorbereiteten Umsturzversuchs vom 20. Juli 1944.
Die Schwestern Gertrud und Margarethe Kaulitz versteckten zeitweise bis zu 17 verfolgte Personen. Sie wurden 1966 vom Berliner Senat als „Unbesungene Helden“ geehrt. Auch Lucie Strewe gehört zu diesen Helden. Sie bot Josef Scherek, Warenhausleiter beim Tietz & Karstadt Konzern, Unterschlupf und rettete so sein Leben. Im Mai wurde ein Platz zwischen Fischerhüttenstraße und Busseallee nach ihr benannt.
Trude und Fritz Wisten gehörten zu den Menschen, die zugleich Verfolgte und Helfer waren. Beide wurden zeitweise verhaftet, es gab Hausdurchsuchungen der Gestapo. Fritz Wisten war „Staatsschauspieler“, bevor er 1933 als Jude entlassen wurde. Auch das Ehepaar Wisten versteckte mehrere verfolgte Menschen. Beide überlebten das NS-Regime und den Zweiten Weltkrieg. Wisten kam zunächst ans Deutsche Theater, übernahm 1946 die Direktion des Theaters am Schiffbauerdamm, heute Spielstätte des Berliner Ensembles, und leitete später die Volksbühne Berlin. Am Wohnort im Waldsängerpfad 3 hängt seit 2014 eine Gedenktafel.
In Jordans Broschüre werden noch weitere Stille Heldinnen porträtiert. Das Heft ist im örtlichen Buchhandel für zwei Euro erhältlich.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.