Der Kontakt zu den Bürgern fehlt
Bezirkspolitiker und ihre Erfahrungen im Homeoffice
Keine Sitzungen, verwaiste Rathäuser und leere Räume: Das Corona-Virus hat das öffentliche politische Leben lahmgelegt. Wie gehen die Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit dieser Situation um? Die Berliner Woche hat nachgefragt.
„Wie bisher tauschen wir uns telefonisch oder per E-Mail aus“, sagt Norbert Buchta, Fraktionsvorsitzender der SPD. „Neu hinzu gekommen ist, dass wir jetzt auch als Fraktion Telefonkonferenzen machen.“ Die Corona-Zeit werde jetzt genutzt, Liegengebliebenes auf- und abzuarbeiten. Schriftliche Anfragen an das Bezirksamt könnten weitergestellt werden. Es gebe auch Antworten, die allerdings etwas länger dauern könnten.
Es gebe Vor- und Nachteile in der Krise, sagt Buchta. Die Fahrt ins Rathaus und öffentliche Termine fielen flach. „Aber man verliert den Kontakt zu den Bürgern.“ Andererseits: „Das Familienleben freut sich, meine Frau und die Kinder haben mehr von mir.“
Videokonferenzen sind wünschenswert
Tonka Wojahn, gemeinsam mit Bernd Steinhoff Vorsitzende von B‘90/Grüne, berichtet, dass die Fraktion schon vor Corona gut über verschiedene Dienste vernetzt gewesen sei. „Jetzt kommunizieren wir über diese Dienste, vernachlässigen aber auch nicht das gute altmodische Telefongespräch.“ Die reguläre Fraktionssitzung wurde als Videokonferenz absolviert.
Was die politische Arbeit betrifft, habe die Fraktion Anfragen an die Stadträte gestellt, etwa zur Notbetreuung von Kindern im Bezirk, zur Erweiterung des Campus Dreilinden oder zur Situation der Geflüchteten in den Gemeinschaftsunterkünften.
Trotz Home Office sei die Arbeit nicht weniger geworden, obwohl die Fahrtzeiten entfielen, sagt Wojahn. Sie verbringe abends mehr Zeit mit ihrer Familie. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei sowieso ein Ziel der Grünen. Dazu passe eine Erfahrung aus der Krise: „Videokonferenzen sind auch nach der Krise wünschenswert.“
Die politische Arbeit geht weiter
Für Mathia Specht-Habbel, Fraktionsvorsitzende der FDP, sei das Homeoffice zunächst ungewohnt gewesen. „Ich schätze den persönlichen Kontakt zu unseren Mitarbeitern und den direkten Austausch mit den Kollegen.“ Das Zusammenkommen per WhatsApp, FaceTime oder auch Telefonkonferenzen sei jedoch nicht neu.
Die positiven Seiten der Krise: „Mein Mann und ich nehmen mehr gemeinsame Mahlzeiten ein als vor Corona, da wir jetzt nicht in verschiedenen Städten arbeiten, wie es sonst der Fall ist.“ Sorgen bereiten Specht-Habbel jedoch die Auswirkungen auf die Gesundheitslage, die Wirtschaft und die Arbeitsplätze sowie mögliche Folgen auf demokratische Strukturen und Freiheitsrechte. „Deshalb freue ich mich über die freiwilligen Aktionen von Bürgern, die Solidarität und Kreativität zeigen.“
Die CDU-Fraktion organisiere mindestens einmal pro Woche eine Videokonferenz, berichtet Fraktionschef Torsten Hippe. „Im Übrigen stehen wir im ständigen schriftlichen und telefonischen Kontakt untereinander, auch mit unserem Stadtrat und der Bezirksbürgermeisterin.“ Es bestehe kein Informationsdefizit. Und es sei jederzeit möglich, Anfragen einzureichen und Antworten zu bekommen. „Unsere Bezirksamtsmitglieder stehen zur Befragung aber auch unbürokratisch am Telefon zur Verfügung“, sagt Hippe.
Sitzungen in Form einer Telefonkonferenz
Bei der Linksfraktion klappt das Zusammenarbeiten im Home Office ebenfalls gut. „Wir absolvieren unsere Fraktionssitzungen als Telefonkonferenz“, teilt Vorsitzender Gerald Bader mit. Aber es lägen viele Anträge auf Halde, die eigentlich diskutiert werden müssten. Und die Transparenz nach außen, zu Bürgern und Interessengruppen, leide. „Deshalb fordern wir, die derzeit relevanten Ausschüsse wie den Jugendhilfe-, und den Gesundheitsausschuss sowie den Ausschuss für Soziales, Pflege und Senioren einzuberufen“, sagt Bader.
„Bis zur Aufhebung der Kontaktsperre gibt es regelmäßige Fraktionssitzungen per Telefon- und Videokonferenz“, teilt AfD-Vorsitzender Peer Lars Döhnert mit. Eine grundlegende Änderung der Arbeit im Home Office sieht Döhnert nicht. „Unsere Verordneten sind berufstätig und wenden für ihre politische Tätigkeit ohnehin ihre Freizeit auf.“
Was die politische Arbeit betrifft, wolle die Fraktion nur wirklich notwendige Anfragen einbringen. Schließlich befände sich das Bezirksamt und dessen Mitarbeiter derzeit auch in einem Krisenmodus und arbeiteten unter veränderten Bedingungen.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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