Social Distancing ist unmöglich
Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf macht auf gefährliche Situation in Flüchtlingsunterkünften aufmerksam
Durch die Corona-Pandemie sind zum Schutz aller besondere Maßnahmen nötig. Dazu gehört es, auf Distanz zu gehen und strenge Hygienevorschriften einzuhalten. Betriebe, Schulen, öffentliche Einrichtungen haben sich darauf eingestellt und entsprechende Schutzmaßnahmen eingeführt. In den Unterkünften für Geflüchtete ist jedoch Social Distancing unmöglich.
In einem Offenen Brief weist daher das Willkommensbündnis für Flüchtlinge in Steglitz-Zehlendorf zusammen mit fünf anderen Berliner Flüchtlingsinitiativen auf die besonders problematische Situation in den Gemeinschaftsunterkünften hin. Familien mit Kindern leben auf engstem Raum, in manchen Unterkünften teilen sich bis zu 80 Personen ein Bad und eine Küche. Verbesserungs- und Handlungsbedarf bestünde jedoch nicht nur in den Unterkünften des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). Auch in den bezirklichen Unterkünften müsse dringend gehandelt werden.
Von den rund 40000 wohnungslosen Menschen in Berlin leben nur die Hälfte in den LAF-Unterkünften. Die andere Hälfte sei durch die Wohnhilfen der Bezirke in Heimen, Hostels oder Wohnungen untergebracht.
Im Bezirk gibt es zwei Unterkünfte in privater Trägerschaft und etwa vierzehn Pensionen, Ferienwohnungen und kleine Boardinghäuser, in den Geflüchtete und Obdachlose wohnen. Die Qualität dieser Unterkünfte sei extrem unterschiedlich. In manchen sei schon in normalen Zeiten der Aufenthalt gesundheitsgefährdend. Während der Corona-Pandemie könne die Einhaltung der Hygienevorschriften kaum durchgesetzt werden. Das Gleiche gilt auch für Social Distancing. Auf Distanz zu gehen ist unter diesen Umständen unmöglich.
Dazu kommt, dass nicht immer eine Betreuung durch Sozialarbeiter gewährleistet ist. W-Lan gibt es in der Regel gar nicht. Das wird zunehmend für die Schüler zum Problem, die weiterhin nicht am normalen Unterricht teilnehmen können und ausschließlich im Home-Schooling lernen müssen. „Hier geht es also nicht um eine Erweiterung und Verstärkung eines vorhandenen Netzes wie in den allermeisten LAF-Unterkünften, sondern darum, überhaupt eine Grundausstattung sicherzustellen“, erklärt Günther Schulze vom Willkommensbündnis und Mitunterzeichner des Briefes.
Die Unterzeichner schließen sich mit ihrem Schreiben dem Offenen Brief der Integrationsbeauftragten an, die sich kurz zuvor an den Senat gewendet hatten. „Die dort angesprochenen Probleme sind auch von unserer Seite zum Teil seit Jahren regelmäßig thematisiert worden und haben in Corona-Zeiten eine besondere Dringlichkeit“, heißt es in dem Brief der Flüchtlingsinitiativen. Sie betonen, dass sie die Forderungen der Integrationsbeauftragten unter anderem nach einer weniger dichten Belegung der Unterkünfte auf ganzer Linie unterstützen. Das könnte gelingen, wenn leerstehende Hotels oder Appartements angemietet werden. Durch den Einbruch des Tourismus würde derzeit eine einmalige Gelegenheit bestehen, neue Unterkünfte anzumieten, schlagen die Flüchtlingsinitiativen in ihrem Brief vor. „Einerseits könnte damit auch hier eine Entzerrung zu enger Wohnverhältnisse stattfinden, andererseits besteht die Chance, endlich auch die Qualität der Unterbringung auf das notwendige Mindestmaß zu bringen.“
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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