Überraschende Einblicke in die Kunstszene
Neuer Katalog zeigt verborgene Werke aus dem Bezirksdepot

Jasmin-Bianca Hartmann und Hans Philipp Offenhaus mit dem Gemälde "Hochbahnhof Nollendorfplatz" von Georg Netzband (1939) und der Marlene-Dietrich-Büste von Ernesto di Fiori (1931). Beide lagerten im Kunstdepot des Bezirks. | Foto: Philipp Hartmann
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  • Jasmin-Bianca Hartmann und Hans Philipp Offenhaus mit dem Gemälde "Hochbahnhof Nollendorfplatz" von Georg Netzband (1939) und der Marlene-Dietrich-Büste von Ernesto di Fiori (1931). Beide lagerten im Kunstdepot des Bezirks.
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Eine Frau eilt zur U-Bahn, während grelles Licht aus dem Wagon den Bahnsteig erhellt. Ein großformatiges, expressionistisches Gemälde mit dieser Szene hängt im Büro von Irene von Götz. Die Leiterin der Museen Tempelhof-Schöneberg ist von dieser Ansicht des Hochbahnhofs Nollendorfplatz von 1939 fasziniert.

„Wenn die ganze Sammlung so ist, ist sie wunderschön“, dachte auch Jasmin-Bianca Hartmann, als sie das Bild zum ersten Mal sah. Anfang 2019 begann die Kunsthistorikerin, die Kunstsammlung des Bezirks zu sichten, die normalerweise versteckt im Archiv der Bezirksmuseen schlummert. Mehr als ein Jahr später kommt nun der Katalog „Verborgene Schätze – 100 Jahre Kunstsammlung der Museen Tempelhof-Schöneberg“ heraus. „Es wurde Zeit, dass der Bestand mal aufgearbeitet wird“, sagt Irene von Götz. Sie selbst hatte nie die Zeit, sich das Depot genauer anzusehen. Jetzt kann sich jeder Kunstliebhaber ein Bild machen, über welche Werke der Bezirk verfügt.

Der Grundstock für die Sammlung, die unter anderem durch Schenkungen stetig gewachsen ist und rund 600 Bilder und Skulpturen umfasst, wurde vor einem Jahrhundert gelegt. 1919 kaufte der damalige Magistrat der Stadt Schöneberg den Gemäldebestand des ortsansässigen Nervenarztes Dr. Walter Levinstein an. 13 der 33 erworbenen Kunstwerke befinden sich heute noch im Besitz des Bezirks. Ergänzt wird dieser durch Werke von Hans Baluschek, Ottilie Ehlers-Kollwitz, Hermione von Preuschen und vielen weiteren Künstlern, deren Biografien oder Motive nahezu allesamt eng mit der Geschichte des Bezirks und Berlins verwoben sind.

Vieles ist verschollen

„Wir haben Monate im Keller verbracht, jedes Werk vermessen und fotografiert“, berichtet Jasmin-Bianca Hartmann von der umfangreichen Arbeit. Hans Philipp Offenhaus, wissenschaftlicher Volontär der Museen, unterstützte sie. „Zunächst haben wir uns die Signaturen angesehen und dann Bücher und Internetdatenbanken durchsucht, um herauszufinden, von welchen Künstlern die Bilder stammen.“ Ihre Recherche führte sie beispielsweise ins Jobcenter und ins Haus am Kleistpark, wo Werke aus dem Museumbesitz als Leihgaben hängen. Nach zahlreichen Depotumzügen im Laufe des 20. Jahrhunderts sind viele aber leider bis heute verschollen.

„Wir wussten an manchen Tagen nicht, was uns erwartet. Einmal hatte ich plötzlich zwei Grafiken von Käthe Kollwitz in der Hand. Ich dachte nur: Wahnsinn“, so Hartmann. Sie seien auf schöne Werke gestoßen, von denen bislang niemand Kenntnis hatte. „Viele Bilder waren in erstaunlich gutem Zustand, manche mussten zum Restaurator.“ Drei Tage dauerte die sogenannte Repro. Sämtliche Objekte wurden aus dem Depot geholt, auf die Staffelei gestellt, für den Katalog professionell abgelichtet und wieder verstaut. Neben Jasmin-Bianca Hartmann und Hans Philipp Offenhaus verfassten auch die Museumsarchivarin Marie Becker sowie die Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Elke Krauskopf anschließend Aufsätze über den bezirklichen Kunstfundus.

Das neu erstellte Werkverzeichnis erfasst rund 400 Objekte und Fotografien der 180 markantesten Werke. Dieser wertvolle Kunstschatz soll langfristig bewahrt werden. „Wir überlegen, eine Artothek einzurichten“, erklärt Irene von Götz. Dort könnten sich Bürger für eine gewisse Zeit Kunst ausleihen und in die Wohnung hängen. Diese Idee ließe sich jedoch wohl erst mit dem geplanten Kulturbaustein am Tempelhofer Damm umsetzen und ist daher Zukunftsmusik.

Gegenwart ist hingegen die noch bis zum 3. Mai verlängerte Ausstellung „Verborgene Schätze – Einblicke in das Tempelhofer Kunstdepot“ im Tempelhof Museum, Alt-Mariendorf 43. Geöffnet ist sie montags bis donnerstags 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 14 Uhr und sonntags 11 bis 15 Uhr. Der Katalog (Auflage: 300) wiederum wird am 2. April ab 18.30 Uhr bei einer Pop-up-Ausstellung im Schöneberg Museum, Hauptstraße 40, präsentiert und ist anschließend zum Preis von 20 Euro in beiden Museen erhältlich.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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