Was machen eigentlich die Bezirksverordneten?
BV-Vorsteher Stefan Böltes über Bezirkspolitik und Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger
Am 26. September wird nicht nur über die neue Zusammensetzung des Bundestags und des Abgeordnetenhauses entschieden, es finden auch Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung statt. In Tempelhof-Schöneberg steht Stefan Böltes seit fünf Jahren diesem Gremium vor. Berliner-Woche-Reporterin Susanne Schilp sprach mit ihm.
Herr Böltes, was sind die Aufgaben einer Bezirksverordnetenversammlung?
Stefan Böltes: Die 55 Verordneten wählen das Bezirksamt, also Bürgermeister und Stadträte. Sie bestimmen außerdem über den Haushalt. Das sind in Tempelhof-Schöneberg um die 800 Millionen Euro im Jahr. Das klingt nach viel, aber allein für Personal und Transferleistungen wie Sozialhilfe werden hohe Summen gebraucht. Dazu kommen Investitionen und Instandhaltungen. Maximal zehn bis 20 Millionen Euro können wir tatsächlich bewegen. Da gilt es dann zu entscheiden: Stecken wir zusätzliches Geld in den Medienetat der Bibliotheken oder in die Schulreinigung oder doch in die Parks?
Oft wird die BVV als Bezirksparlament bezeichnet. Doch ein Parlament beschließt Gesetze. Das kann die BVV nicht, oder?
Stefan Böltes: Nein, keine Gesetze, aber Bebauungspläne. Das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. So können wir stadtplanerische Weichen stellen, etwa wie auf dem Euref-Campus. Oder, um eins der vielen kleineren Beispiele zu nennen: Am Barbarossaplatz wollte ein Eigentümer vor Jahren ein Mietshaus abreißen, um einen größeren Komplex zu errichten. Den Abriss konnten wir nicht verhindern. Aber den notwendigen Bebauungsplan hat die BVV erst beschlossen, nachdem der Eigentümer sich verpflichtet hat, die Mieter zu schützen und ökologisch zu bauen.
Die Bezirksverordneten tagen monatlich, diskutieren Anliegen und stimmen über sie ab. Sie stellen Fragen an das Bezirksamt oder fordern es auf, tätig zu werden. Kann sich auch der ganz normale Bürger einbringen?
Stefan Böltes: Erst einmal ist die Sitzung der BVV öffentlich, genauso wie die Ausschüsse, die ebenfalls mit Bezirksverordneten besetzt sind und sich mit speziellen Themen wie Bildung, Haushalt oder Bauen beschäftigen. Allerdings haben die Besucher in beiden Gremien kein Rederecht. Es gibt aber zu Beginn jeder BVV-Sitzung eine 30-minütige Einwohnerfragestunde. Wer eine Frage hat, schreibt sie auf und gibt sie spätestens am Freitag vor der jeweiligen Sitzung bei mir im Büro ab. Wenn sie einen bezirklichen Bezug hat, lasse ich sie in aller Regel zu und der Bürger kann sie dann öffentlich stellen.
Gibt es weitere Möglichkeiten für die Einwohner?
Stefan Böltes: Sie können sich an die Ausschussvorsitzenden wenden, zu finden sind sie auf der Internetseite des Bezirksamts. Wer sich zum Beispiel von Mitarbeitern einer Behörde schlecht behandelt fühlt, ist beim Ausschuss für Eingaben und Beschwerden richtig. Wem der Lärm und die Abgase vor der Haustür stinken, der kontaktiert den Verkehrsausschuss. Möglich ist auch, die Fraktion, die einem politisch am nächsten steht, um Unterstützung zu bitten. Das alles geht aber auch über mein Büro. Ich bin zwar in der SPD, habe aber als BV-Vorsteher parteipolitisch neutral zu sein und Bürgeranliegen dementsprechend sachlich zu behandeln.
Es gibt eine Seniorenvertretung im Bezirk, die sich den Problemen und Wünschen älterer Menschen widmet. Stehen Sie mit ihr in Kontakt?
Stefan Böltes: Selbstverständlich. Die Seniorenvertretung kann eigene Anträge einbringen. Genau dasselbe gilt für das Kinder- und Jugendparlament, das wir in Tempelhof-Schöneberg haben. Eine tolle Sache übrigens, um junge Leute an Politik heranzuführen.
Können die Bürger auch Druck machen, damit sich die BVV intensiv mit einer Sache beschäftigt?
Stefan Böltes: Ja, da gibt es einmal die Möglichkeit, einen Einwohnerantrag zu stellen. Dazu sind 1000 Unterschriften nötig. Sind diese gesammelt, dann müssen sich die Bezirksverordneten mit dem Anliegen befassen. So geschehen beim Verkehrsversuch auf dem Tempelhofer Damm, der vorsieht, Radspuren dort einzurichten, wo zuvor Autos parkten. Ein anderes Instrument ist das Bürgerbegehren: Wenn drei Prozent der Wahlberechtigten im Bezirk eine bestimmte Forderung mit ihrer Unterschrift unterstützen, sind die Verordneten verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten darüber abzustimmen. Und wer Informationen zu einzelnen Themen wünscht, der kann eine Einwohnerversammlung beantragen. Dies muss ein Drittel der BVV unterstützen.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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