Viele Hygienemängel bleiben unentdeckt
Nur 50 Prozent aller erforderlichen Lebensmittelkontrollen im Bezirk werden durchgeführt
Einige Restaurants und Imbisse im Bezirk scheinen auf Hygiene nicht sonderlich streng zu achten. Das lässt sich einer Stellungnahme von Ordnungsstadträtin Christiane Heiß (Grüne) entnehmen, die sie der Berliner Woche auf Anfrage zuschickte. Deutlich wird darin zudem, dass viele Lebensmittelkontrollen aufgrund von fehlendem Personal nicht durchgeführt werden.
Sechs Lebensmittelkontrolleure sind demnach aktuell in der Abteilung Veterinär- und Lebensmittelaufsicht im Ordnungsamt beschäftigt. Vorgesehen sind jedoch acht. Selbst wenn alle Stellen besetzt wären, würde dies laut Heiß aber nicht ausreichen. „Bereits die planmäßigen Routinekontrollen würden die doppelte Anzahl an Überwachungspersonal erfordern.“ Grund für die Situation sei der Fachkräftemangel. „Ausschreibungsverfahren enden oft aufgrund unzureichender Bewerberlage. Die fachlichen Voraussetzungen sind aufgrund der mannigfaltigen Anforderungen des Aufgabengebiets hoch“, erklärt sie dazu.
Vor diesem Hintergrund engagiere sich der Bezirk verstärkt in der Ausbildung. Vier potenzielle Lebensmittelkontrolleure sollen in diesem Jahr ihre Ausbildung beginnen. „Es besteht die Hoffnung, dass sie nach zwei Jahren mit erfolgreichem Abschluss übernommen werden können“, so Christiane Heiß.
Es besteht dringender Bedarf, denn mit dem derzeitigen Personal können aktuell nur rund 50 Prozent der regulären Betriebsüberprüfungen durchgeführt werden. Erschwert wird die Arbeit der Kontrolleure durch zusätzliche Aufgaben aufgrund der EU-Kontroll-Verordnung. Christiane Heiß zufolge müsste neben verstärktem, interdisziplinärem Vorgehen gegen Lebensmittelbetrug auch der Online-Handel intensiver überwacht werden. „Auch ist durch die gesteigerte Sensibilität und Informationsbereitschaft der Verbraucher eine Zunahme an Verbraucherbeschwerden zu verzeichnen, die oftmals kurzfristige Sonderüberprüfungen mit zeitintensiven Ermittlungen erfordert und entsprechend Personal bindet.“
24 Restaurants 2019 ganz oder teils geschlossen
2019 sind nach Auskunft der Stadträtin 541 Restaurants und 185 Imbisse im Bezirk kontrolliert worden. Dabei sei es zu 24 Schließungen oder Teilschließungen gekommen. „In den allermeisten Fällen waren Auffälligkeiten in den Bereichen Hygiene, Kennzeichnung von Produkten, Personalhygiene, Eigenkontrollsystemen und Produkthygiene zu beanstanden“, so Heiß. Da nur jede zweite Kontrolle durchgeführt werden konnte, ist unklar, wie viele Vergehen unentdeckt geblieben sind.
Kritik am Umgang mit den Ergebnissen äußerte Ende Januar der gemeinnützige Verein Foodwatch, der vor einem Jahr die Online-Plattform „Topf Secret“ gestartet hat. Über das Portal können Bürger an die zuständigen Behörden Anträge auf Herausgabe von Hygiene-Kontrollergebnissen stellen. 43 000-mal sei dies bereits geschehen. „In Berlin, wo es mehr als 3000 Anträge gibt, warten die Menschen teilweise seit zwölf Monaten auf die Kontrollergebnisse. In einigen Bezirken wurden sogar Hunderte Anträge kategorisch abgelehnt“, schrieb Foodwatch. Der Verein habe daher gemeinsam mit der Transparenz-Initiative FragDenStaat eine Musterklage gegen das Land Berlin auf den Weg gebracht, über die noch nicht entschieden wurde.
Stadträtin Christiane Heiß versichert, dass die Veterinär- und Lebensmittelaufsicht in Tempelhof-Schöneberg die Topf-Secret-Anfragen nach und nach beantworte, was jedoch ebenfalls „einen erheblichen Anteil an Personal“ binde. „Grundsätzlich befürworten wir als Verbraucherschutzbehörde selbstverständlich Transparenz bei Fragen der Lebensmittelsicherheit gegenüber Bürgern und Verbrauchern“, teilt sie mit.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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