Bunt und für einen guten Zweck
Beim Verein Jahresringe produzieren Langzeitarbeitslose Masken und vieles mehr
In einem Hinterzimmer in der Erlanger Straße in Neukölln offenbart sich ein buntes Kinderparadies. Gestrickte Tiere, Kissen und Rucksäcke stapeln sich in Regalen und hängen an der Wand. Produziert werden sie von Langzeitarbeitslosen, die über das Jobcenter Tempelhof-Schöneberg an den Verein „Jahresringe Gesellschaft für Arbeit und Bildung“ vermittelt wurden.
Er ist Träger der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. „Im Volksmund Ein-Euro-Job genannt“, wie die Pressesprecherin des Jobcenters, Silke Berlin, ergänzt. Derzeit sind zehn Frauen im Projekt beschäftigt. Anfangs strickten, häkelten und nähten sie Sitzkissen, Schürzen, Handschuhe, Socken, Puppenkleider und Kuscheltiere in Form von Eulen, Quallen oder Katzen, die an Kitas und Schulen verteilt wurden. Mit der Corona-Krise fiel Mitte März die Entscheidung, sich verstärkt auf die Herstellung von Mund-Nasen-Schutzmasken zu konzentrieren. Seitdem haben die Frauen mehr als 500 angefertigt. Sie werden kostenlos an Bedürftige und Seniorenheime abgegeben.
„Ich mochte das Stricken nicht, konnte es nur ganz wenig. Außerdem bin ich ein ungeduldiger Mensch“, gibt Gülser Inanc, eine der Beschäftigten, zu. Inzwischen macht sie jedoch einen zufriedenen Eindruck. Die Arbeit mache ihr Spaß – und genau darum geht es auch dem Jobcenter und dem Verein Jahresringe. „Ziel der Maßnahme ist, dass die Teilnehmer erst einmal wieder eine Tagesstruktur und soziale Kontakte bekommen. Durch die Langzeitarbeitslosigkeit sind sie zu Hause total isoliert“, erklärt Silke Berlin. Wichtig sei außerdem, dass die Arbeit zu einem Erfolgserlebnis führe. Wer seit Jahren Arbeitslosengeld II beziehe, sei das kaum noch gewohnt. Knapp 11 300 Menschen in Tempelhof-Schöneberg sind arbeitslos, 3227 von ihnen seit mehr als einem Jahr (Stand Mai 2020). In der Nähstube wurden die Frauen, fast alle Migrantinnen aus der Türkei, Russland und dem arabischen Raum, zunächst angelernt. Manche fingen komplett ohne Vorkenntnisse an. Angelegt ist die Maßnahme auf ein Jahr. Während dieser Zeit bringen sich die Teilnehmerinnen auch untereinander die Arbeit an der Nähmaschine bei oder helfen sich anderweitig, derzeit auch über Videokonferenzen. „Die meisten sind Hausfrauen“, berichtet Projektleiterin Irene Heinz. „Es ist aber auch eine Russin dabei, die in ihrer Heimat Ingenieurin war.“ Ihre Qualifikation sei allerdings in Deutschland nicht anerkannt worden.
Montag bis Freitag sind die Frauen von 8 bis 14 Uhr beim Verein beschäftigt, insgesamt 30 Stunden pro Woche. Momentan arbeiten sie jedoch zu Hause und kommen nur freitags vorbei, um ihre Produkte abzugeben. „Es ist die einzige Maßnahme von Jahresringe in ganz Berlin, die aktuell im Homeoffice arbeiten darf“, berichtet Geschäftsführerin Birgit Starostzik. Das funktioniere gut, sagt Gülser Inanc. Der Verein stellt das Material zur Verfügung. Vieles kommt über Spenden rein, zum Beispiel Stoffe, Knöpfe, Reisverschlüsse und sogar alte Nähmaschinen. Für die Maskenproduktion musste nur ein wenig Zubehör wie Gummibänder eingekauft werden.
Nachdem die Maske anfangs vielerorts noch Rarität war, scheinen die Berliner mittlerweile gut ausgestattet zu sein. Ab Juli sollen die Frauen wieder andere Produkte herstellen. Vorher würde der Verein aber gern noch Abnehmer für die restlichen Masken finden. Soziale Einrichtungen können sich melden. Das gilt auch für Menschen, die Stoffe oder Nähzubehör spenden möchten.
Kontakt unter gesellschaft@jahresringe-ev.de oder Tel. 29 34 18 13.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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