Die unterschätzte Gesundheitsgefahr
CDU will „Aktionstag Kippe“, Stadtrat hat andere Idee

Die in Kippen verbliebenen Giftstoffe gefährden Kinder und Tiere, wenn sie verschluckt werden. | Foto: Philipp Hartmann
  • Die in Kippen verbliebenen Giftstoffe gefährden Kinder und Tiere, wenn sie verschluckt werden.
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Es ist ein alltägliches Bild an Bahnhöfen, Bushaltestellen oder in Parks: herumliegende Kippen, nach dem Konsum nicht entsorgt, sondern einfach auf den Boden geschnipst. Raucher begehen damit nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern sorgen auch für eine Gefährdung ihrer Mitmenschen und Umwelt. Ein „Aktionstag Kippe“ soll das ändern.

Der Weltgesundheitsorganisation zufolge enthalten Zigarettenstummel rund 5000 verschiedene Chemikalien, darunter hochgradig giftige Substanzen wie Cadmium, Blei und Arsen, sowie Rückstände von Pestiziden und Insektiziden. Damit gehörten sie eigentlich wie Batterien als Sondermüll eingestuft. Werden Kippen sorglos wegschmissen, landen diese Gifte im Boden und im Wasser. Die CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung hat sich dieses Themas nun angenommen und fordert einen jährlichen, unangekündigten „Aktionstag Kippe“. An diesem Tag solle das Ordnungsamt schwerpunktmäßig das nicht vorschriftsmäßige Wegwerfen von Zigarettenkippen ahnden. Der Verordnete Patrick Liesener möchte außerdem das Bußgeld dafür von 25 auf 50 Euro erhöhen.

„Unser Bezirk wird durch achtlos weggeworfene Zigaretten vermüllt“, schreibt er. „Da uns die personelle Situation in den Ordnungsämtern bekannt ist, schlagen wir einen konzertierten Aktionstag vor. Auf diese Weise soll an einem Tag möglichst sicht- und spürbar gegen Kippensünder vorgegangen und ein Problembewusstsein in der Bevölkerung geschaffen werden.“ Gesundheitsstadtrat Oliver Schworck (SPD) hält dies jedoch nicht für erfolgsversprechend. „Ich bezweifle, dass wir überhaupt viele antreffen würden. Sie können jemanden ja erst auf sein Fehlverhalten aufmerksam machen, wenn Sie ihn direkt dabei erwischen“, so Schworck.

Andere Ordnungswidrigkeiten haben Priorität

Eine offizielle Erhebung gibt es nicht. Wer jedoch im öffentlichen Straßenland unterwegs ist, muss zu dem Schluss kommen, dass das nicht ordnungsgemäße Entsorgen von Kippen zu den häufigsten Ordnungswidrigkeiten gehört. Dies zu kontrollieren, rangiert in der Dringlichkeitsliste des Ordnungsamts dennoch nicht weit oben. Stattdessen müsse man gegen unmittelbare Gefahren wie Falschparker, Fahren auf dem Gehweg oder illegales Müllabladen am Straßenrand vorgehen, erklärt der Stadtrat, warum Kippensünder meist keine Strafen zu befürchten hätten.

Um jedoch auf die Gefahren der kleinen Giftquellen aufmerksam zu machen, bringt Oliver Schworck einen anderen Vorschlag ins Spiel. Er hält es für sinnvoll, auf Spielplätzen rauchende Eltern anzusprechen und Flyer mit entsprechenden Informationen zu verteilen. Grund seien Vorfälle, bei denen Kleinkinder Kippen im Nachahmungsverhalten in den Mund nehmen und verschlucken. „Wenn die Leute die Gefahren wüssten, würde es auch diese Leichtfertigkeit nicht geben“, ist Schworck überzeugt. Die direkte Ansprache würde eher ankommen, als auf Verbote hinzuweisen oder Bestrafungen auszusprechen.

So viele Kippen werden verschluckt

Wir wollten es genau wissen und haben beim Giftnotruf der Charité nachgefragt, der jährlich 48.000 Anfragen aus ganz Deutschland erhält, darunter ein Drittel aus Berlin und Brandenburg. Tatsächlich gehen Anrufe wegen verschluckter Kippen dort regelmäßig ein. 2015 gab es deswegen 1064 Anrufe, 2016 waren es 964 und 2017 860. Nach dem Verschlucken können demnach Symptome wie Erbrechen und Durchfall, Schwitzen, Zittrigkeit und ein schneller Herzschlag auftreten. „Aus Erfahrung kann ich berichten, dass sehr viele Unfälle im häuslichen Milieu stattfinden, aber leider ereignen sich diese auch auf dem Spielplatz“, berichtet Daniela Acquarone von der Charité. Kleinkinder würden jedoch nur geringe Tabakmengen verschlucken, wodurch Unfälle in der Regel unproblematisch verliefen. Im Notfall sollten Eltern kein Erbrechen provozieren, sondern Ruhe bewahren und ihrem Kind „lediglich eine kleine Menge Wasser oder Tee zu trinken geben“.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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