Streifen über Seifenblasen
Wie ein Filmemacher seine Themen findet
„Die menschliche Seifenblase“ heißt ein Film von Nils Woitschach, in dem er einen ungewöhnlichen Mann porträtiert und zugleich ein Stück Zeitgeschichte reflektiert.
In der Kopenhagener Straße verschwindet gerade die Sonne hinter den Häusern. Da steht ein Mann mit weißem Vollbart und zottigen Haar. Er ist umringt von Kindern. Wie aus dem Nichts zaubert er eine riesige Seifenblase. Die letzten Sonnenstrahlen lassen sie in den Farben des Regenbogens schimmern. Mit langsamen Bewegungen lässt er das fragile Gebilde um sich herumtanzen. Die Kinder machen große Augen, einige klatschen. Nils Woitschach ist von diesem poetischen Bild fasziniert.
Der junge Mann, inzwischen 21 Jahre alt, wuchs im Gleimviertel auf. Erinnerungen werden wach. In seiner Kindheit erlebte er diesen Mann selbst auf Straßenfesten. Er staunte stets, wie jemand so große Seifenblasen zaubern kann. Als er ihn das nächste Mal bei einer seiner Seifenblasen-Performances in einem Park erlebt, geht er einfach auf ihn zu. „Ich fragte Piotrus, ob ich mich mit ihm über sein Leben und seine Seifenblasenkunst unterhalten und ihn dabei filmen könnte“, erzählt Nils Woitschach. Der Seifenblasenmann stimmte zu.
„Als ich mit den ersten Aufnahmen begann, war ich noch recht unterfahren. Manche Sachen mussten wir dann nachdrehen. Aber Piotrus war sehr verständnisvoll. Er machte alles mit.“ Immer wieder traf sich der junge Mann mit dem Künstler, auch als der gerade sein „Einfachstes Theater der Welt“ an der Kopenhagener/Ecke Sonnenburger Straße renovierte. Da gab es Zeit für viele Gespräche und Piotrus Szczeniowski, wie die „menschliche Seifenblase“ mit vollem Namen heißt, offenbarte Einblicke in sein Leben: Anfang der 2000er kam er aus Polen nach Berlin. Zunächst war er obdachlos und verdiente seinen Lebensunterhalt mit Seifenblasen-Kunst. Nachdem er eine Wohnung fand, gründete er das "einfachste Theater der Welt". Heute ist Piotrus in ganz Deutschland auf Festivals unterwegs.
Die Liebe zum Filmen entwickelte sich bei Nils Woitschach bereits früh. „Ich bekam von meinem Vater eine Filmkamera geschenkt. Für mich war es faszinierend, mit dem Thema Zeit zu spielen“, sagt er. „Mit der Kamera konnte man Momente einfrieren und sie beim Abspielen wieder lebendig werden lassen. Deshalb nahm ich mit der Kamera auch viele Alltagsszenen auf. Und beim Filmen von Piotrus, der inzwischen Mitte 70 ist, reizte mich, die Reflektion auf ein ganzes Lebens festzuhalten.“
Als er sein Filmprojekt begann, hatte Nils Woitschach eigentlich noch keine Vorstellung, wohin die Reise gehen soll. „Das Drehbuch entwickelte ich erst nach vielen Gesprächen mit Piotrus.“ Um noch mehr in seine Leidenschaft eintauchen zu können, studiert der junge Filmemacher in der Regieklasse von Deutschlands größter selbstorganisierter Filmschule, der filmArche. Außerdem ist er Student der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK.
Nach etlichen Gesprächen mit seinem Protagonisten hatte Nils Woitschach schließlich 20 Stunden Film- und Interviewmaterial im Kasten. Für einen Dokumentarfilm ist das natürlich viel zu lang. Deshalb musste das Material geschnitten werden. „Mit dem Schnitt habe ich über ein Jahr verbracht. Das war auch nicht einfach, weil Piotrus viele kluge Sachen in die Kamera sagte. Für mich war aber klar, dass sich im Film die wichtigsten Stationen dieses spannenden Lebens wiederfinden müssen.“
So entstanden viele Arbeitsversionen. Die zeigte der junge Filmemacher dann immer wieder Familie, Freunden und Bekannten, bis er endlich seine Endfassung fertig hatte. Mit Finn Kraft fand er einen Komponisten, der mit seiner Musik dem Film eine besondere Atmosphäre verlieh. Kraft inspirierte diese berührende Lebensgeschichte so, dass er sogar ein ganzes Album zu diesem Film komponierte.
Nach über drei Jahren Arbeit an seinem Film führte Nils Woitschach ihn dann erstmals vergangenes Jahr im Mauerpark beim „Internationalen Treffen der Seifenblasenkünstler“ auf. Die offizielle Premiere fand wenig später im Kino Babylon statt. Seit dem läuft dieser Film immer wieder auf nationalen und internationalen Festivals. Zu sehen war er unter anderem beim Bundesfestival junger Film in St. Ingbert oder auch bei einem Filmfestival in der Türkei.
[i]Weil er es schade findet, dass dieser Film nicht regulär im Kino, sondern voraussichtlich nur auf Festivals laufen wird, hat sich Nils Woitschach entschlossen, ihn auf YouTube für jedermann frei zugänglich zu präsentieren:
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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