"Engagierten Partner verloren"
Jens-Holger (Nilson) Kirchner verstorben
Über drei Jahrzehnte war er als charismatischer Politiker in Pankow bekannt: Jens-Holger (Nilson) Kirchner. Jetzt ist er im Alter von 64 Jahren seinem Krebsleiden erlegen.
Die erste Begegnung mit mir, dem Reporter, fand im Sommer 1991 statt. Seinerzeit gehörte Nilson Kirchner zum Team von Netzwerk SpielKultur, das er mit gründete. Der damalige Verein hatte für die Sommerferien eine Aktion unter dem Motto „Kollywood“ organisiert. Willkommen waren Kinder aus dem Kiez um den Kollwitzplatz. Ausgangsbasis war ein großes Zelt am alten Waschhaus, das sich auf einer Freifläche gegenüber des heutigen Abenteuerlichen Bauspielplatzes Kolle 37 befand. Die Kinder drehen dort eigene kleine Filme. Das war für die damalige Zeit so neu und abenteuerlich, dass davon unbedingt in der Zeitung berichtet werden musste. Nilson Kirchner plauderte locker mit mir über diese Aktion, sodass im Ergebnis des Gesprächs ein schöner sommerlichen Beitrag entstand.
Wenig später begegneten wir uns in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Prenzlauer Berg wieder. In die Politik kam Jens-Holger Kirchner über den Runden Tisch in der Wendezeit. Zunächst saß er in der PDS-Fraktion, wechselte aber schon bald zur Wählergemeinschaft Bündnis Prenzlauer Berg. Diese ging Ende der 1990er-Jahre im Berliner Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen auf, dessen Mitglied Kirchner 2001 wurde. Bereits in Prenzlauer Berg engagierte er sich als Vorsitzender des Kinder- und Jugendhilfeausschusses.
Smiley-System zur Hygienebewertung
Im Jahr 2001 fusionierten Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee zum heutigen Verwaltungsbezirk Pankow. Kirchner blieb in der BVV, und die Verordneten wählten ihn zu ihrem Vorsteher. 2006 wechselte er von der BVV ins Bezirksamt und übernahm als Stadtrat der Bündnisgrünen das Ressort Öffentliche Ordnung mit der Zuständigkeit für das Ordnungs- und Tiefbauamt – ein Ressort, dem er unter anderem mit dem von ihn eingeführten Smiley-System zur Bewertung der Hygiene in der lokalen Gastronomie seinen Stempel aufdrückte.
Wichtiges Thema: Milieuschutz
In der nachfolgenden Wahlperiode übernahm er die Abteilung Stadtentwicklung, Verkehr und Grünflächen und wurde zeitgleich stellvertretender Bürgermeister von Pankow. „Mit dem Kollegium der Stadtentwicklung zusammen entwickelte er Maßnahmen wie die Milieuschutzgebiete weiter, um zu verhindern, dass die Pankower Bürgerinnen und Bürger aufgrund der drastisch ansteigenden Mieten aus ihren Kiezen vertrieben werden“, erinnert sich der heutige Stadtentwicklungsstadtrat Cornelius Bechtler (Bündnis 90/Die Grünen). „Mit seinem Team aus dem Straßen- und Grünflächenamt sowie dem Ordnungsamt richtete er Parkraumbewirtschaftungszonen ein und arbeitete an der Verbesserung der Rad- und Fußwege.“
In seiner Zeit als Stadtrat legte Kirchner stets Wert auf Bürgerbeteiligung und probierte dabei unterschiedliche Formate aus. Er eckte mit seinen Ideen und Meinungen auch bei so manchem an. Und oftmals ging es ihm viel zu langsam bei der Umsetzung von Projekten. Im Laufe der Jahre traf ich ihn bei zahllosen Terminen und führte Interviews, meist in seinem Büro im Dienstgebäude an der Darßer Straße.
Kirchners Wechsel auf die Landesebene 2016 war ein weiterer Meilenstein in seiner beruflichen Karriere. Als Staatssekretär für Verkehr arbeitete er zunächst an der Mobilitätswende für ganz Berlin, konkret am ersten Mobilitätsgesetz in Deutschland auf Landesebene. Doch dann erkrankte er im Sommer 2018 an Krebs. Wenige Monate später versetzte ihn die damalige Verkehrssenatorin Regine Günther in den Ruhestand. Nach einer längeren Auszeit aufgrund seiner Erkrankung koordinierte er in der Senatskanzlei stadtplanerische Großprojekte wie die Entwicklung des Pankower Tors und des Siemenscampus.
Sein Humor wurde geschätzt
„Mit seiner besonders wertschätzenden, menschlichen Art und Haltung gegenüber allen Kolleginnen und Kollegen, die er immer wieder durch seine besondere Aufmerksamkeit und Zugewandtheit zum Ausdruck brachte, seinem Humor, seinem Gerechtigkeitssinn, seinem Willen etwas positiv für die Menschen zu verändern, werden wir Nilson Kirchner immer in Erinnerung behalten“, erklärt Cornelius Bechtler namens des Bezirksamtes Pankow.
„Nilson Kirchner wollte voranbringen und Politik auch aus der Verwaltung heraus aktiv gestalten“, erklären die Pankower SPD-Vorsitzende Rona Tietje und Dennis Buchner zum Tod von Jens-Holger Kirchner. „Dabei konnte man mit ihm streiten, aber auch gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern Lösungen erarbeiten, die dann umgesetzt wurden. Er war dabei stets ein verlässlicher Partner, der nichts auf die lange Bank schieben, sondern politische Entscheidungen auch schnell sichtbar machen wollte. Wir verlieren einen engagierten Partner, der sich um den Bezirk verdient gemacht hat und dessen Humor und Menschlichkeit nun fehlen werden.“
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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