Rückblick und Ausblick
Interview mit Bürgermeisterin Cordelia Koch
Über einen Rückblick auf das herausfordernde vergangene Jahr und einen Ausblick auf 2024 unterhielt sich Berliner-Woche-Reporter Bernd Wähner mit Bürgermeisterin Cordelia Koch (Bündnis 90/Die Grünen).
Sie wurden nach der Wiederholungswahl im Frühjahr 2023 zur neuen Bürgermeisterin von Pankow gewählt. Mit Blick auf das zurückliegende Jahr: Was waren aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen in der Pankower Bezirkspolitik?
Cordelia Koch: Für mich persönlich war die größte Herausforderung der Bezirkshaushalt für die kommenden beiden Jahre. Wenn man so etwas zum ersten Mal macht, ist das eine aufregende Angelegenheit, die mit einer riesengroßen Verantwortung verbunden ist. Dabei konnte ich mich auf die Mitarbeiter:innen der Bezirksverwaltung verlassen, die sorgsam mit dem Geld umgehen. Wir haben einen konservativen Haushalt. Das heißt, dass wir Ausgaben vorsichtig geplant haben. Das war richtig so, denn wir bekamen auch während des Aufstellungsverfahrens noch Kürzungsvorgaben vom Senat.
Trotz des konservativen Haushalts haben wir politische Akzente gesetzt. Da geht es zum Beispiel um Klimavorsorge durch Pflanzung neuer Bäume und die Biotopverbundplanung, aber auch darum, dass sich das Bezirksamt weiter zu einem attraktiveren Arbeitgeber entwickeln möchte. So wollen wir zum Beispiel das mir sehr wichtige Pilotprojekt der Essenversorgung für Beschäftigte beginnen. Auch Personal zu halten und zu gewinnen ist eine Herausforderung, die 2024 und darüber hinaus vor uns liegt. Weitere Herausforderungen waren und sind die Unterbringung von Geflüchteten sowie der Bau neuer Schulen. 2023 haben wir immerhin fünf neue Schulgebäude eröffnet, davon zwei Drehscheiben als Ausweichquartiere. Weitere Schulen folgen 2024.
Welches sind die Schwerpunkte, denen Sie sich als Bürgermeisterin in der verbleibenden Legislaturperiode widmen werden?
Cordelia Koch: Ein Schwerpunkt ist die Infrastruktur für Geflüchtete. Der Senat muss anerkennen, dass für eine erfolgreiche Integration auch die Infrastruktur mitwachsen muss. Wenn wir in Pankow 15 Prozent der Geflüchteten Berlins unterbringen, muss in gleichem Maße auch das Angebot an Kita- und Schulplätzen, medizinischer Versorgung sowie Freizeitangeboten angepasst werden. Zudem benötigen wir auch in der Verwaltung deutlich mehr Personal, um diese Strukturen zu planen, zu implementieren und die neu zu uns gekommenen Menschen angemessen betreuen zu können.
Gleiches gilt für das Thema wachsende Stadt. Der Senat meint, ein Großteil des Wohnungsproblems auf Potenzialflächen realisieren zu können, die er in Pankow erkannt hat. Dabei wird verkannt, dass es kaum noch Kompensationsflächen für neue Flächenversiegelungen durch Wohnungsbau gibt, die aber nötig sind. Hinzu kommt, dass wir auch in den planenden Ämtern nicht genug Personal haben. Auch wenn der Senat sagt: Hier bauen wir, ist der Bezirk trotzdem immer involviert. Unsere Ämter stehen damit vor riesengroßen Herausforderungen. Wir brauchen schlichtweg mehr Personal, das auf allen Ebenen und in allen Bezirken fehlt.
Ein weiterer Schwerpunkt ist der Verkehr im Nordosten des Bezirks. Die aktuelle Diskussion um den Ausbau des U-Bahn-Netzes macht den Leuten Angst, weil sich damit für die nächsten etwa 40 Jahre an der gegenwärtigen Situation nichts verbessert. Es dauert ewig, bis eine neue U-Bahnstrecke gebaut ist. Das ist ein Großprojekt und das muss allen klar sein. So ein Projekt muss erst einmal geplant und finanziert werden. Doch jetzt schon brauchen wir Lösungen für den Verkehr.
Wie könnten die aussehen?
Cordelia Koch: Aus meiner Sicht sind attraktivere Busverbindungen eine schnellere Lösung. Wir müssen uns anschauen: Wo fahren die Busse lang? Sind die Linien so angelegt, dass sie die wachsende Stadt abdecken? Lassen sich Linien optimieren? Mittelfristig ist dann die Straßenbahn in den Blick zu nehmen. Das alles geht rascher und ist praktikabler, als auf neue U-Bahnen zu setzen.
Mit Blick auf den Klimawandel: Welche Vorhaben beim Thema Klimaschutz wird das Bezirksamt in nächsten Schritten angehen?
Cordelia Koch: Das ist ein Thema, bei dem wir in Pankow personell gut aufgestellt sind. Als erster Bezirk hatten wir eine Klimabeauftragte und wir haben nun auch eine Leitstelle Klimaschutz eingerichtet. Im November hatten wir außerdem eine sehr erfolgreiche Auftaktveranstaltung zur Erarbeitung des Pankower Klimakonzeptes mit mehr als 100 Gästen. Die Bürgerbeteiligung auf der Beteiligungsplattform meinberlin.de läuft noch bis Ende Januar. Wir werden auch insbesondere Kinder und Jugendliche beteiligen, die ihre Visionen und Ideen in den Prozess einbringen können. Im Herbst soll unser Klimaschutzkonzept vorliegen.
Welche bezirkspolitischen Etappenziele sollten aus Ihrer Sicht 2024 erreicht werden?
Cordelia Koch: Ein Etappenziel, das aber nicht in einem Jahr erreicht werden kann, ist es, die Attraktivität des Bezirksamts Pankow als Arbeitgeber auszubauen. Wir haben eine Stelle „Attraktiver Arbeitgeber“ eingerichtet, die nun besetzt wird. Es geht zum Beispiel um Bleibekultur, aber auch um unsere Unternehmenskultur allgemein. Ein wesentlicher Punkt, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, sind zum Beispiel die Stellenbesetzungsverfahren. Hier schauen wir uns die Prozesse an, um bis Ende 2024 besser zu werden. Zudem wollen wir die Bezirksverwaltung stärker für Quereinsteiger:innen und Migrant:innen öffnen.
Ein weiterer großer Komplex ist die Sicherung der sozialen Infrastruktur. Wir analysieren: Welche Standards brauchen wir für Geflüchtete? Angesichts knapper Kassen geht es auch darum, was wir zum Schutz von Obdachlosen und auch für ältere Menschen im Bezirk benötigen. In Pankow gibt es immer mehr Ältere. Klar ist: Jeder Euro, den wir für Prävention nutzen, spart dem Staat später Geld für kurative Maßnahmen. Deshalb werden wir auch das sportorientierte BIB-Bewegungsprogramm fortführen, bei dem das Bezirksamt und der Pankower Qualitätsverbund Netzwerk im Alter, kurz QVNIA, Kooperationspartner sind. Das erfolgreiche Projekt bietet mehr als Gesundheitsprävention für die Generation ü65. Die Teilnehmenden knüpfen auch soziale Kontakte. Damit tun wir aktiv etwas gegen die Vereinsamung älterer Menschen. Daher werden wir 2024 Fördermittel beantragen, um die Finanzierung des BIB-Projektes zu sichern.
Was erhoffen beziehungsweise wünschen Sie sich für die Menschen im Bezirk Pankow für das Jahr 2024?
Cordelia Koch: Natürlich wünsche ich allen Gesundheit und starke Nerven. Viele von uns arbeiten ja seit mehreren Jahren im Krisenmodus. Corona ist kaum verdaut und nun sind wir mit Krieg in Europa und im Nahen Osten konfrontiert. Die Auswirkungen spüren wir auch täglich in Berlin. Ich wünsche den Leserinnen und Lesern der Berliner Woche trotz allem ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2024.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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