"Es war einfach an der Zeit"
BVV-Vorsteher Dr. Hinrich Lühmann gibt Amt auf
Der langjährige Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Dr. Hinrich Lühmann, leitet am 12. September zum letzten Mal die Sitzung der politischen Vertreter der Reinickendorfer. Am 28. September räumt er sein Büro im Rathaus.
Für viele Kommunalpolitiker im Bezirk war die Mail vom 24. August eine Überraschung. Dr. Hinrich Lühmann kündigte den Fraktionen des Hauses an, sein Amt zum 28. August niederzulegen. Parteiintern in der CDU hatte er dieses Ansinnen schon länger kommuniziert, doch er wollte bis zum Ende seiner Amtszeit unbehelligt von Spekulationen über Nachfolger oder politische Gründe diese auch ausfüllen.
Im Gespräch mit der Berliner Woche erläuterte Lühmann, dass er ausschließlich persönliche Gründe habe: „Ich bin im Mai 74 Jahre alt geworden, da war es einfach an der Zeit.“ Es gebe zum Glück keine gesundheitlichen Gründe, die ihn zum Kürzertreten gezwungen hätten. Er geht zu einem Zeitpunkt, wo er als Vorsteher der Verordneten auch ein geordnetes Haus hinterlässt – ein politisches Gremium, in dem die Sacharbeit im Mittelpunkt steht.
Zum ersten Mal wurde Lühmann 2011 zum Vorsteher der Bezirksverordneten gewählt. Er war als parteiloses Mitglied auf der Liste der CDU in die Versammlung gelangt. Ein Unbekannter war er im Bezirk ohnehin nicht. Bis 2008 leitete er das Humboldt-Gymnasium, das er zu einer der renommiertesten Schulen Berlins machte. Er selbst hatte dort 1963 das Abitur gemacht, bevor es ihn ins Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie zog.
Grenzen überschritt er immer gerne, zunächst geographisch. Drei Jahre war er Lektor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität von Nancy. Bevor er sich ganz dem Humboldt-Gymnasium widmete, betrieb er eine psychoanalytische Praxis. Und auch als Schulleiter ging sein Engagement über die Schultür hinaus. Von 1999 bis 2011 war er Bürgerdeputierter im Schulausschuss der Bezirksverordnetenversammlung, der er ab 2011 als Verordneter und Vorsteher der Versammlung angehörte. 2009 hatte er auch noch das Bildungsberatungszentrum des Bezirks angeschoben.
Als Vorsteher der Bezirksverordneten war ihm die Transparenz der Kommunalpolitik ein großes Anliegen. Dass heute gut gefüllte Aktenordner zumeist von Tablets abgelöst wurden, erleichtert nicht nur die Arbeit der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker. Wer als Bürger deren Arbeit verfolgen möchte, braucht dazu nur ins Internet zu gehen. Dort finden sich Anträge und Abstimmungsergebnisse, die Debatten im Saal der Bezirksverordneten werden live im Internet übertragen. Verpasst man diese Daten, lässt sich im Audioprotokoll nachhören, was die Volksvertreter gesprochen haben.
Mit der 2016 neu gewählten BVV warteten auch auf den wiedergewählten Vorsteher Lühmann neue Aufgaben. Sechs Fraktionen möchten ihre Ansichten nicht nur zu Gehör bringen, sondern in konkrete Politik umsetzen. Mit natürlicher Autorität, Charme und Esprit sorgte Lühmann dafür, dass die Debatten weitestgehend sachlich blieben – und für den Beobachter erkenntnisreich und oft auch amüsant.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Siesmayer spricht von der „authentischen Art und seinem geistreichen Witz“, sein SPD-Pendant Marco Käber lobt die „faire Leitung“ der Sitzungen und konstatiert, Lühmann habe „die Reinickendorfer Kommunalpolitik bereichert und auf ein höheres Niveau gehoben“. Sich den bisherigen Vorsteher nach dem 28. September nur noch als interessierten Zuschauer von Politik vorzustellen, dürfte den meisten Verordneten schwerfallen.
Der Vorstand der CDU-Fraktion hat sich dafür entschieden, der eigenen Fraktion Eberhard Schönberg als neuen Vorsteher vorzuschlagen. Die Fraktion entscheidet gegen Ende September. Als Nachrücker in der BVV für Lühmann folgt Michael Windisch, der schon in der vergangenen Wahlperiode der BVV angehörte. Er war als Pirat in das Gremium gelangt und wechselte dann in die CDU-Fraktion.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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