"Schwimmen lernen ist eine Lebensversicherung"
Interview mit dem Vorsitzenden des Bezirkselternausschusses

Carsten Rudolph (54) gibt Eltern eine Stimme und setzt bei drängenden Problemen auf gemeinsame Lösungen mit dem Bezirksamt.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Carsten Rudolph ist seit drei Jahren Vorsitzender des Bezirkselternausschusses in Charlottenburg-Wilmersdorf. Im Interview mit Berliner-Woche-Reporterin Ulrike Kiefert spricht der Vater zweier Kinder über mangelnde Digitalisierung, fehlende Schwimmhallen und wie man Lösungen findet.

Was genau macht der Bezirkselternausschuss?

Carsten Rudolph: Der Bezirkselternausschuss ist ein schulisches Gremium, das Schulen und die Schulaufsicht berät. Diese Arbeit ist wichtig, denn Eltern kennen die Probleme an den Schulen aus erster Hand. Als Vorsitzender versuche ich, mehr Eltern zu motivieren und zu aktivieren, damit sie ins Gremium kommen und sehen, wie wichtig und interessant die Arbeit ist. Zur Zeit nehmen rund 70 Leute an unseren digitalen Sitzungen teil, wenn wir in Präsenz tagen, sind es etwa 40. Es könnten mehr sein.

Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Probleme im Bezirk?

Carsten Rudolph: Zuerst einmal kann ich die Eltern beruhigen: Wir sind mit Schulen und Lehrern gut ausgerüstet – zumindest besser als andere Bezirke. Die Herausforderungen liegen bei uns woanders. Wir haben an fast allen Schulen Baustellen, weil in die Altbauten jahrelang nicht investiert wurde. An vielen Schulen wird seit einer Ewigkeit gebaut, da es in einem Altbau eben nicht so einfach ist, Klassenräume zu vergrößern oder Kabel zu verlegen. Ein weiteres Problem: Es fehlen Mensen und Essensräume. Eltern haben aber Anspruch auf ein kostenfreies Mittagessen für ihr Kind. Und die Schülerzahlen steigen. Die Schinkel-Grundschule zum Beispiel hat inzwischen 700 Schüler, in ihrer Mensa aber nur Platz für 70 Kinder. Da muss in Schichten gegessen werden. Auch bei der digitalen Ausstattung hapert es, da müssen Versäumnisse der letzten Jahre nachgeholt werden. Das Schulamt wollte uns eine Aufstellung schicken, wie es in jeder Schule aktuell aussieht mit Wlan, Laptops, digitalen Lernplattformen und Anschlüssen für alle Schüler. Darauf warten wir seit über drei Monaten, da das Schulamt nicht genügend Mitarbeiter hat.

Haben Sie noch weitere „Sorgenkinder“ ausgemacht?

Carsten Rudolph: Natürlich ist auch das Schulschwimmen leider immer noch ein drängendes Thema. Wir als Bezirkselternausschuss begleiten das Thema seit über vier Jahren mit einer eigenen Arbeitsgruppe. Wir haben im Bezirk nur zwei Schwimmhallen, die zwar offen, aber beide renovierungsbedürftig sind. Die Neue Halle an der Krumme Straße ist schon seit fünf Jahren geschlossen, weil das Geld für die Sanierung fehlt. Nun haben wir gerade erfahren, dass die Halle auch dieses Jahr nicht auf der Liste der Bauvorhaben der Berliner Bäderbetriebe steht. Es bleibt also weiter unklar, wie lange sich die Schüler noch den begrenzten Platz in den verbliebenen Bädern Wilmersdorf I an der Mecklenburgischen Straße und Wilmersdorf II an der Fritz-Wildung-Straße teilen müssen. Die größte Herausforderung ist, dass durch die langen Fahrtwege am Ende aus einer Schwimmstunde nur 20 Minuten Zeit im Wasser übrig bleiben.

Warum ist der Schwimmunterricht so wichtig? Im Schulgesetz verankert ist er ja nicht.

Carsten Rudolph: Richtig, aber das Schulschwimmen steht berlinweit in der 3. Klasse auf dem Lehrplan. Wir haben im Bezirk über 24 Grundschulen mit steigenden Schülerzahlen. Eltern, Schüler und die Schulen brauchen also dringend eine Perspektive, wie es mit der Neuen Halle weitergeht. Denn Schwimmen zu lernen ist für alle Kinder eine Lebensversicherung. Das Fehlen einer von drei Hallen darf nicht dazu führen, dass immer weniger Kinder schwimmen können. Die Schwimmvereine haben in der geschlossenen Halle vielen Kindern Anfängerschwimmkurse angeboten, was sich positiv beim Schulschwimmen ausgewirkt hat. Denn insgesamt nimmt die Zahl der Kinder ab, die vor Schulbeginn schwimmen lernen. Unabhängig davon, verlieren unsere Schwimmvereine Mitglieder und künftige Rettungsschwimmer, da das Schwimmtraining nur noch bedingt stattfinden kann. Und die Konzentration auf die zwei Schwimmhallen in Wilmersdorf hat zur Folge, dass viele Schüler aus dem Charlottenburger Norden und Westen weite Wege haben. Für den Bezirk entstehen somit erhebliche Kosten für den Bustransfers. Und die Lage verschärft sich, denn die Bäderbetriebe bekommen Bundesmittel für die energetische Sanierung von Wilmersdorf II. Diese Halle wird also zeitweise schließen.

Eltern müssen im Bezirk lange auf den Kita-Gutschein warten. Gilt das auch für den Hort-Gutschein?

Carsten Rudolph: Ja, hier liegt die Wartezeit in vielen Fällen bei sechs bis sieben Monaten, weil sich die Anträge beim Bezirksamt stapeln und das Anmeldeverfahren viel zu kompliziert ist. Wir Eltern fordern hier schon länger ein vereinfachtes und digitalisiertes Verfahren und haben dem zuständigen Stadtrat auch eine Lösung vorgeschlagen. Die Schulen geben die Anmeldeformulare direkt an die Eltern und an den Hortträger weiter, ohne Umweg über das bezirkliche Schulamt.

Sichere Schulwege sind Eltern wichtig. Wie sieht’s damit im Bezirk aus?

Carsten Rudolph: Charlottenburg-Wilmersdorf ist der einzige Bezirk, der zu jeder Schule ein externes Gutachten zur Schulwegsicherheit hat machen lassen. Übrigens auf Druck der Eltern. Diese Gutachten beziffern, was genau an welcher Schule nötig ist, und was das kostet. In der Summe sind es 42 Millionen Euro. Der Bezirk kann pro Jahr aber nur eine Million ausgeben, es würde also 42 Jahre dauern, bis alle Maßnahmen umgesetzt sind. So lange will natürlich keiner warten. Wir haben darum angeregt, erstmal umzusetzen, was schnell geht. Kiss-and-go-Zonen zum Beispiel. Unser Bezirk hat inzwischen die meisten Kiss-and-go-Areas vor seinen Schulen. Das ist übrigens eine Forderung des Landeselternausschusses an die Landespolitik, bei jedem Schulneubau die Schulwegsicherheit mitzudenken.

Sie engagieren sich auch im Landeselternausschuss?

Carsten Rudolph: Ja, ich sitze im Vorstand und darum weiß ich auch, dass die Schulreinigung demnächst wieder ein großes Thema wird. Die Bezirke bekommen nämlich nach den Sommerferien vom Senat kein Geld mehr für die Tagesreinigung. Die Mittel sind nicht mehr zweckgebunden, das heißt, der Bezirk kann das Geld auch für was anderes ausgeben. Und davon gehen wir angesichts des klammen Bezirkshaushaltes aus. Was das für die Sauberkeit der Schulen bedeutet, muss ich Ihnen nicht erklären. Es gibt auch bei uns viele Kinder, die nicht auf die Schultoiletten gehen.

Was wünschen Sie sich vom Bezirk?

Carsten Rudolph: Ich wünsche mir, dass wir Themen gemeinsam umsetzen. Die Zeiten sind vorbei, in denen Eltern nur Meckerer waren. Will das Bezirksamt etwas voranbringen, muss es uns Eltern ernst nehmen und mitnehmen. Ich denke, einzelne Stadträte haben das verstanden. Und es gibt ja Beispiele, wo das geklappt hat und wir zusammen eine Lösung gefunden haben.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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