Frischer Wind mit weiblicher Doppelspitze
Literaturhaus Berlin öffnet sich und wird bunter
Das Literaturhaus Berlin bietet Literatur für alle. Im Haus an der Fasanenstraße kommen Literaturbegeisterte jeden Alters voll auf ihre Kosten. Doch nicht nur das. Dort soll auch Literatur in jeder Form einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dafür werden immer wieder neue Programme und Plattformen entwickelt, um möglichst vielen Menschen Literatur in all ihren Facetten nahe zu bringen.
Das Literaturhaus gibt es seit 37 Jahren. Im Juni 1986 wurde es gegründet und war das erste einer Reihe von Literaturhäusern in deutschen Großstädten. Gründungsleiter war der Literaturwissenschaftler Herbert Wiesner, 2004 übernahm der Lyriker Ernest Wichner die Leitung des Hauses. Seit dem 1. Januar 2018 wird das Literaturhaus Berlin von weiblicher Hand geführt. Die Literaturwissenschaftlerin Janika Gelinek und die Amerikanistin und Kunsthistorikerin Sonja Longolius leiten es als Doppelspitze. Die beiden Frauen können es sich auf die Fahnen schreiben, frischen Wind in die alten Mauern gebracht zu haben. Mit dem Programm „Junges Literaturhaus im Literaturhaus Berlin“ zum Beispiel ist ein umfangreiches Angebot für Kinder und Jugendliche entstanden, das Schulklassen aus ganz Berlin und Brandenburg in die Fasanenstraße 23 lockt. Neben klassischen Buchpremieren, Bilderbuchkino, Diskussionen und interaktiven Workshops für Schüler gibt es auch für Familien regelmäßige Angebote. Wie zum Beispiel Lesungen mit bekannten Autoren, Harry-Potter- und Halloween-Nachmittage.
Inzwischen schauen die beiden Frauen und ihr Team auf fünf erfolgreiche Jahre zurück. In dieser Zeit sind im „Li-Be“ – so heißt die neue Abkürzung, die jetzt auf Flyern, Plakaten und auch auf der Homepage zum Markenzeichen für die Einrichtung geworden ist – rund 750 Veranstaltungen im Haus und auch im Netz gelaufen. Trotz Corona.
Neue Formate während
der Pandemie entwickelt
Die Einschränkungen durch die Pandemie wurden für das Li-Be-Team zur Riesenherausforderung. Aber: „Wir haben diese Zeit gemeistert und sind so etwas wie ein Leuchtturm in der Pandemie geworden“, sagt Sonja Longolius stolz. Gelungen sei das mit neuen Programmen, die extra entwickelt wurden und mit denen Literatur auch digital verbreitet wird. „Wir haben alles gemacht, um das Haus auch in der Pandemie zu bespielen – zum Teil unter abenteuerlichen Bedingungen“, erinnert sich Janika Gelinek und zählt auf: Da war das „Theater im Garten“, bei dem das Publikum anfangs die Veranstaltungen vom Zaun aus verfolgen konnte. Später konnten Stühle im Garten aufgestellt werden und die Gäste bekamen Funk-Kopfhörer, damit sie den Lesungen folgen konnten. Außerdem ist der Literaturkanal literaturkanal.tv an den Start gegangen und zu einer erfolgreichen Streaming-Plattform geworden, die Literaturangebote aller Art online zur Verfügung stellt – kostenlos, barrierefrei und immer wieder abrufbar. Und im Podcast "Berlins schönste Seiten" sprechen die beiden Frauen zusammen mit dem Kulturredakteur der Berliner Morgenpost, Felix Müller, regelmäßig über die neuesten Bücher, Texte und Themen. Aktuell ist bereits Folge 28 zu hören.
Fünf Jahre Li-Be ist zwar ein Grund zum Feiern für das Team des Hauses, aber lange kein Grund, nur zufrieden zurückzublicken. „Wir wollen vor allem neugierig nach vorne schauen“, erklären die beiden Frauen und haben jede Menge Ideen im Kopf und neue für Projekte im Programm. Eines davon ist die Grundgesetz-Reihe. „Das ist ein Superprogramm“, schwärmt Gelinek. Unter dem Titel „Grundsetzlich“ lädt das Literaturhaus dazu ein, sich neu mit dem Grundgesetz zu befassen. Dabei diskutieren Schriftsteller und Rechtsexperten über einzelne Artikel des Grundgesetzes oder das Gesetz selbst. Am 23. Mai sprechen beispielsweise die Autorin Sibylle Lewitscharoff und der Rechtswissenschaftler Dieter Grimm über das Grundgesetz in der Geschichte und den 74. Jahrestag der Verfassung. Ganz neu ist auch die Reihe „E trifft U“. Die Idee dahinter ist es, die Grenze zwischen ernster und unterhaltender Literatur aufzubrechen.
Im Jahr hat das Literaturhaus rund 150 Veranstaltungen im Programm, bis März sind bereits 27 gelaufen, neun davon waren ausverkauft. Zur Verfügung stehen drei Räumlichkeiten: ein großer Saal, ein kleiner Saal und das Kaminzimmer sowie die Gartenbühne. Zur Villa gehören auch ein Café und die Buchhandlung Kohlhaas & Co.
Die Villa, die 1889 im italienischen Stil erbaut wurde, blickt auf eine wechselvolle Geschichte mit den unterschiedlichsten Nutzungen zurück. Unter anderem nutzte es die Alexander von Humboldt-Stiftung als „administratives Zentrum“ für Studierende aus aller Welt, nach dem Krieg zogen Barbetriebe, Diskothek und sogar ein Bordell ein. Um 1980 sollte das Haus abgerissen werden und einem Zubringer für die Stadtautobahn Platz machen. Das konnte erfolgreich von einer Bürgerinitiative verhindert werden. Der Senat kaufte das denkmalgeschützte Gebäude mit dem Ziel, dort einen zentralen Ort für die Vermittlung von Literatur und Öffentlichkeit zu schaffen. Regelmäßige Führungen in und um das Haus geben einen Einblick in die wechselvolle Geschichte.
Literaturhaus Berlin, Fasanenstraße 23, www.literaturhaus-berlin.de.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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