7-Punkte-Plan für die Bekämpfung der bezirklichen Herausforderungen der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie trifft nicht alle gleichermaßen. Geringverdienende, Leistungsbeziehende und Alleinerziehende sind ganz besonders betroffen. Viele haben ihren Arbeitsplatz verloren oder bekommen viel zu geringes Kurzarbeitergeld. Mit Hartz-IV lässt sich der alltägliche Bedarf nicht decken.
Appelle, dass Menschen zur Vermeidung von Ansteckungen möglichst zu Hause bleiben sollen, können nur eingehalten werden, wenn alle über angemessenen Wohnraum verfügen. Auch bei uns im Bezirk fehlen bezahlbare Wohnungen. Viele Menschen leben in beengten Wohnverhältnissen, obwohl tausende Wohnungen spekulativ leer stehen, Hotelgebäude bleiben ungenutzt.
Der Kulturbereich ist besonders hart von den Einschränkungen im Zuge der Pandemie-Bekämpfung betroffen. Kultureinrichtungen und -betriebe mussten im März als erste schließen und durften als letzte wieder öffnen. Es ist nicht erklärbar, warum Menschen während steigender Infektionszahlen dicht gedrängt arbeiten oder in Einkaufszentren shoppen gehen dürfen, aber Theater und Kino trotz durchdachter Hygienekonzepte geschlossen bleiben.
Die Gesundheitsämter stehen vor großen Herausforderungen, die sie nur schwer bewältigen können. Jahrelang wurde kein Personal eingestellt. Die Politik zusammengesparter Haushalte und des Verschiebens wichtiger Innovationen und Investitionen rächt sich nun bitter.
Aus diesen Fehlern müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen. Trotz mehrerer Monate seit dem ersten Lockdown wurde auf Bezirksebene zu wenig getan, um die Folgen der Krise nachhaltig anzugehen und vor allem Ideen für die Zeit nach Corona zu erarbeiten. Als Linksfraktion wollen wir jetzt handeln und noch in der Krise die Voraussetzungen für die solidarische Stadt von morgen entwickeln.


1. Wohnungen für Alle!


Während der Pandemie müssen alle Wohnungs- und Obdachlose in Hotels und Hostels untergebracht werden. Nach der Pandemie benötigen die Betroffenen eigenen Wohnraum mit Betreuungsangeboten, die jetzt geschaffen werden müssen. Dazu soll das Bezirksamt das Modell „Housing First“ für Wohnungs- und Obdachlose im Bezirk häufiger anwenden und das Geschützte Wohnungsmarktsegment ausweiten.
Trotz Zweckentfremdungsverbots stehen noch immer zahlreiche Wohnungen oder gar ganze Häuser im Bezirk illegal leer oder werden zu teurem Eigentum umgewandelt. Spekulativer Leerstand muss konsequent verfolgt werden (DS 1362/5 und DS 0918/5 und DS 0945/5).
Der vom rot-rot-grünen Senat beschlossene Mietendeckel schützt die Mieter*innen dieser Stadt vor Mietenwahnsinn und Verdrängung – nicht nur, aber gerade auch in der Zeit der Pandemie! Das Bezirksamt muss die Besetzung aller Stellen für die Bearbeitung von Mietabsenkungen und zur Stärkung des Milieuschutzes gewährleisten (DS 1597/5).
Wir unterstützen den Beschluss der BVV, Frauenschutzplätze im Bezirk auszubauen, um Opfer häuslicher Gewalt sicher unterzubringen. Schutzplätze müssen auch nach der Corona-Pandemie bedarfsgerecht und langfristig angeboten werden!


2. Gesundheitsamt nachhaltig besser aufstellen!


Die Bundeswehr soll keine hoheitlichen Tätigkeiten übernehmen und nur temporär bei Ausnahmesituationen eingesetzt werden, wie beispielsweise bei der Ausrufung eines Katastrophenfalls, so wie es die Verfassung fordert. Stattdessen muss das Bezirksamt darauf hinwirken, dass verstärkt Personal aus anderen Behörden im bezirklichen Gesundheitsamt zur Corona-Kontaktnachverfolgung zum Einsatz kommt. Ebenso sind zivile Helfer*innen anzuwerben sowie Menschen, die auf Grund der Krise erwerbslos geworden sind. Nach dem Ende der Pandemie könne sie den andauernden Bedarf der Ämter in anderen Bereichen decken (DS 1669/5).
Wir fordern, dass das Bezirksamt eine eigene medizinische Teststelle für alle Bürger*innen des Bezirks einrichtet und sich beim Senat dafür einsetzen, dass die Testkapazitäten ausgeweitet werden.


3. Digitalisierung und mehr Transparenz – Demokratie ermöglichen!


Der Bezirk muss darauf drängen, dass das Land Berlin mehr Zertifikate und Lizenzen für die Arbeit im Home-Office bereitstellt. Bewerbungsgespräche müssen auch digital stattfinden können, damit die Einstellung notwendigen Personals nicht zum Erliegen kommt.
Die BVV muss ab sofort per Livestream im Internet übertragen werden. Alle Sitzungen der BVV müssen bis auf weiteres digital stattfinden. Auch Bezirksverordnete in Quarantäne müssen durch digitale Abstimmungsmöglichkeiten weiter ihre Arbeit machen können. Alle Einwohner*innen-Fragen, auch bei Nicht-Teilnahme, müssen zeitnah und grundsätzlich schriftlich beantwortet werden (1460/5). Corona darf nicht zu einem Verlust an Teilhabe und Partizipation führen. Nach fast einem Jahr Pandemiebeginn gibt es nun erstmals digitale Ausschüsse, aber die BVV trifft sich weiterhin in Präsenz – die Digitalisierung hat der Bezirk gründlich verschlafen!
Schüler*innen, die nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen, müssen vom Bezirk mit Internetanschluss und Laptop ausgestattet werden, um am Homeschooling und digitalen Angeboten von Bibliotheken teilnehmen zu können. Bibliotheken müssen die Nutzung ihrer Technik ermöglichen. Die voranzutreibende Digitalisierung darf nicht dazu führen, dass Kinder aus ärmeren Familien abgehängt werden.


4. Solidarisch sein – soziale Folgen abfedern!


Wohngeld, Elterngeld und andere wohlfahrtsstaatliche Leistungen müssen – auch nach Corona – unbürokratisch digital beantragt und automatisch für die kommenden 6 Monate verlängert werden. Hartz IV und andere Transferleistungen dürfen nicht sanktioniert werden (DS 1209/5)!
Sozial Benachteiligte, ebenso wie Pflegekräfte oder Verkäufer*innen, die einen besonders schweren Job leisten, sollen freien Eintritt in den Zoologischen Garten erhalten (DS 1557/5).
Der Bezirk muss die Angebote der Nachbarschaftshilfe durch Sachmittel für Honorare unterstützen. Soziale Einrichtungen müssen bei finanziellen Problemen unbürokratisch unterstützt werden, um ihre wichtige Arbeit langfristig sicherzustellen.
Für uns gilt: Klatschen für medizinisches Personal, Pflegekräfte und Verkäufer*innen reicht nicht – eine umfassende Würdigung dieser stets als systemrelevant bezeichneten Berufsgruppen erreichen wir nur mit gerechten Löhnen und attraktiveren Arbeitsbedingungen. Der Bezirk soll hier ein Zeichen setzen und systemrelevante Berufsgruppen, die in der Pandemie jeden Tag ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, öffentlich ehren (DS 1677/5).


5. Gewerbe schützen!


Das Bezirksamt muss auf Antrag unbürokratisch für Mieter*innen bezirkseigener Liegenschaften eine Mietabsenkung um bis zu 50 Prozent ermöglichen. Der Gewerbemietenmarkt soll in einem Gutachten unter besonderer Beobachtung stehen und insbesondere die Auswirkungen der Pandemie in den Fokus nehmen (DS 1695/5).
Die Wirtschaftsförderung soll für bedrohtes Kleingewerbe eine wöchentliche telefonische Sprechstunde zur Beratung einrichten, um Betroffene über Antragsstellung für Hilfsfonds und Überbrückungshilfen aufzuklären.
Um die Gastronomie zu unterstützen und den Betrieb auf öffentlichen Freiflächen, wie etwa Parkplätzen, auch im Winter zu gewährleisten (DS 1582/5), müssen ökologisch nachhaltige Alternativen zu Heizpilzen gefördert werden. Wir erwarten vom Bezirksamt ein nachhaltiges Konzept, das über die bis zum 31.03.2021 geltenden Vereinbarungen des Gastro-Gipfels hinausgeht und der Gastronomie möglichst den durchgängigen Betrieb während aller Jahreszeiten ermöglicht!


6. Kultur auch während der Pandemie ermöglichen!


Das Bezirksamt muss Kulturschaffende bei der Durchführung von Freiluftveranstaltungen unterstützen. Die Clubszene, Kunst- und Kulturschaffende sowie Theater müssen schnell und unbürokratisch durch eine vereinfachte Genehmigungspraxis für Open-Air Veranstaltungen unterstützt werden. Der Vorschlag der LINKEN Bezirksbürgermeister*innen und des Kultursenators zur Einrichtung einer bezirklichen Anlaufstelle, die eine unkomplizierte, unbürokratische und schnelle Genehmigung ermöglichen soll, existiert bereits seit Anfang Juni. Bezirksamt und Bezirksbürgermeister müssen endlich tätig werden, um dem langsamen Sterben von Clubs und Theatern entgegen zu wirken!


7. Die Stadt nach Corona planen!


Corona wird die Stadt nachhaltig verändern – die Art und Weise, wie wir arbeiten, konsumieren, uns fortbewegen. Seit Beginn der Pandemie sind Menschen zunehmend auf das Fahrrad umgestiegen, doch die sichere Radinfrastruktur ist weiterhin kaum vorhanden. Immer mehr Anwohner*innen fordern verkehrsberuhigte und lebenswerte Kieze, frei von Durchgangsverkehr und betonierten Parkflächen. Für beides muss der Bezirk endlich nachhaltige und zukunftsgewandte Konzepte erarbeiten. Das Bezirksamt muss endlich sein Geschäftsstraßen- und Einzelhandelskonzept fertigstellen und auf die Entwicklungen durch die Corona-Pandemie abstimmen. Bei zukünftigen Planungen des Bezirks – insbesondere bei der Weiterentwicklung der City West – ist zu prüfen, inwiefern sich der vermutete Bedarf an Büroflächen durch die Zunahme des Arbeitens von zuhause deutlich verringert.

Die Corona-Pandemie stellt uns vor enorme Herausforderungen.
Mit unserem 7-Punkte-Plan stellen wir Lösungsansätze vor, um den Bezirk jetzt krisenfest zu machen: Solidarisch. Nachhaltig. Zukunftsgewandt.

Autor:

Linksfraktion Charlottenburg-Wilmersdorf aus Charlottenburg-Wilmersdorf

Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin
+49 30 902914911
kontakt@linksfraktion-cw.de
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