Einwohnerfragen
Die Einwohner fragen schriftlich – das Bezirksamt antwortet nur noch mündlich oder sonst gar nicht?

Seit Jahr und Tag wird es so gehandhabt: Die Bürger stellen ihre Einwohnerfragen schriftlich, das Bezirksamt antwortet, abhängig von der Anwesenheit der Frager, mündlich und/oder schriftlich.

Daher platzte die Kunde über den Brief des Bezirksbürgermeisters an die Vorsteherin der BVV wie eine Bombe ins politische Leben des Bezirks – allerdings eine mit einem extrem langen Zeitzünder, denn der Brief stammte vom 9. Januar, die Öffentlichkeit erfuhr von seiner Existenz erst am 23. Januar im Rahmen des Ausschusses für Geschäftsordnung. Danach war der Öffentlichkeit aber der Anblick des Briefes auch weiterhin verwehrt: „Da die Sitzungen des Ältestenrats nicht öffentlich sind, ist Frau Hansen nicht bereit, den an sie gerichteten Brief der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“, hieß es noch am 29. Januar in der Antwort des BVV-Büros an einen nachfragenden Bürger.

Der Brief des Bezirksamtes

Im Kern geht es in dem Schreiben darum, daß das aus Mitgliedern von SPD, Grünen und CDU bestehende Bezirksamtskollegium am 7. Januar beschlossen hat, ab jetzt Einwohnerfragen nur noch mündlich zu beantworten. Begründet wird das damit, daß die Einwohnerfragestunde der „unmittelbaren Begegnung zwischen Bürgerschaft und Kommunalpolitik“ diene, wohingegen die schriftliche Beantwortung von Einwohnerfragen „die Bezirksverwaltung zusätzlich belastet“, denn es bestehe schon jetzt die Möglichkeit, „sich direkt an die Verwaltung und die Mitglieder des Bezirksamtes zu wenden“. Das Bezirksamt sieht auch die BVV als Nutznießer seiner neuen Linie, da seiner Meinung nach die Einwohnerfragestunde „Debatten in der BVV belebt“.

Erste Reaktionen aus den Parteien

Die Reaktion aller Fraktionen ist, wie der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses, Felix Recke (FDP), in der Sitzung vom 23. Januar mitteilte, ablehnend. Man bedauere zwar einerseits, daß die Sitzungen der BVV nur gering besucht seinen, wolle aber bei der schriftlichen Beantwortung der Einwohnerfragen bleiben, auch im Hinblick auf die Tatsache, daß sie oft Zahlen und Tabellen enthalten. F. Recke hielt es für keinen hinreichend Ersatz, Bürger stattdessen auf direkte Anfragen bei den Mitgliedern des Bezirksamtes zu verweisen, da Antworten oft lange auf sich warten lassen oder gar nicht erfolgen.

Aus der Sicht der Bürger

Dies wurde von den Vertretern der Bürgerinitiativen, die am 31. Januar an einem bezirklichen Initiativengipfel teilnahmen, bestätigt. Weiterhin wurde betont, daß es noch nie in der Fragestunde Diskussionen gab, sondern lediglich die Möglichkeit, eine Nachfrage zu stellen, und das war‘s dann. Und es wird berichtet, daß die Mitglieder des Bezirksamts ihre Antwort fast immer vorlesen, was bedeute, daß es bereits eine schriftliche Antwort gebe, die jetzt nur noch verschickt werden müsse. Auch wird in der Beantwortung in Schriftform eine zeitliche Entlastung der BVV gesehen.

Rechtliche Aspekte

Der Beschluß des Bezirksamtskollegium ist rechtlich brisant. Denn das Bezirksverwaltungsgesetz (BezVerwG) legt in den Sätzen 3 und 4 von § 43 fest: „Die Einwohnerfragestunde ist Bestandteil der öffentlichen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung.“ Aufgrund dieser Ermächtigungsgrundlage hat die BVV in ihrer Geschäftsordnung bestimmt: „Eine Einwohnerfrage wird mündlich beantwortet, sofern die Fragestellerin bzw. der Fragesteller in der öffentlichen Sitzung der BVV anwesend ist. Im Zuge der Einbringung kann sogleich ausschließlich eine schriftliche Beantwortung verlangt werden.“ (§ 47 Abs. IV) Der Beschluß – und erst recht seine Umsetzung – kann daher als erheblicher Eingriff in die Rechte des Bezirksparlaments verstanden werden – jedenfalls wenn man nach dem Kommentar von Peter Ottenberg geht, dem langjährigen Leiter des BVV-Büros. Dort heißt es zu § 43 BezVerwG: „Die BVV hat nach Satz 4 eine erhebliche Gestaltungskompetenz, indem eine geschäftsordnungsmäßige Konkretisierung [der Einwohnerfragestunde] vorgenommen wird.“

Autor:

Michael Roeder aus Wilmersdorf

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