Nicht kleckern, klotzen!
Linke kreidet Bund Versorgungslücken im Gesundheits- und Sozialsystem an

Annetta Juckel, Co-Fraktionsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der BVV-Charlottenburg-Wilmersdorf, wünscht sich von der Bundesregierung mehr Unterstützung für die Schwächsten der Gesellschaft. | Foto: Antje Lenz von Kolkow
  • Annetta Juckel, Co-Fraktionsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der BVV-Charlottenburg-Wilmersdorf, wünscht sich von der Bundesregierung mehr Unterstützung für die Schwächsten der Gesellschaft.
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Die Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat die Bundesregierung für ihre Sozial- und Gesundheitspolitik in Zeiten der Corona-Krise kritisiert. Während der Bezirk klotze, kleckere der Bund nur, sagt die Fraktionsvorsitzende Annetta Juckel.

Juckels Lob darf sich Stadtrat Detlef Wagner (CDU) als Leiter des Gesundheits- und des Sozialamtes ans Revers heften: „Im Bezirk wurden bereits zahlreiche unbürokratische Maßnahmen ergriffen, um den Menschen vor Ort schnell zu helfen. Eine vereinfachte und digitalisierte Antragsstellung etwa, die automatische Verlängerung bewilligter Leistungen der Grundsicherung, die Aussetzung von Hartz-IV-Sanktionen oder die Unterbringung von Wohnungslosen sind notwendige positive Signale, um Menschen vor persönlichen Krisensituationen zu bewahren. Zudem wurde das Vorzeigeprojekt der Nachbarschaftshilfe mit Unterstützung des Bezirksamts ins Leben gerufen.“

Versorgung an der Basis lückenhaft

Der Bund hingegen zögere damit, strukturelle Probleme im Gesundheits- und Sozialsystem an der Wurzel anzupacken. Dabei seien die Versorgungslücken an der Basis längst erkennbar: schließende Arztpraxen, akuter Mangel an Schutzbekleidung für medizinisches Personal oder die ausreichende Versorgung mit Hilfsmitteln für sozial Benachteiligte.

„Es ist schon unerträglich, dass die Tafeln einen Ausgleich zu den nicht ausreichenden Leistungen des Staats schaffen müssen. Dass nach ihrer Schließung ihre Angebote trotz finanzieller Hilfen des Bezirks nicht kompensiert werden können, ist Ausdruck struktureller Schwächen im System, nicht Pandemie bedingter Probleme“, erklärt die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion.

Trotz Anerkennung für die Arbeit des Bezirksamtes will die Linke auch im Bezirksparlament für grundsätzliche Verbesserungen bei der Versorgung und sozialen Absicherung von Menschen streiten. Bis zur BVV am 23. April soll ein Forderungskatalog aufgestellt werden, der Punkte wie eine erhebliche Erhöhung von Hartz-IV-Leistungen, eine flächendeckende und importunabhängige Gesundheits- und Pflegeversorgung sowie eine am Gemeinwohl orientierte und bedarfsgerechte Finanzierung von Krankenhäusern enthält. "Vom Bezirk können diese Maßnahmen zwar nicht umgesetzt, aber eingefordert werden", sagt Juckel.

Krise als Wahrsager

Gesundheits- und Sozialstadtrat Detlef Wagner freute sich über den Rückenwind und konnte auf Nachfrage auch die Kritik nachvollziehen. Er wollte die Schelte aber gerecht verteilt wissen. Denn auch das Ressort der Gesundheitssenatorin Dilek Kalyci (SPD), die er persönlich sehr schätze, sei zu Beginn der Corona-Krise nur schwerlich aus den Startlöchern gekommen.

Der Stadtrat erinnerte an die Obdachlosen, die sein Amt kürzlich einzeln in verschiedenen Hostels untergebracht habe, weil sie sich wegen der Kälte auf engstem Raum in der CityStation an der Joachim-Friedrich-Straße tummelten und an ein „social distancing“ nicht zu denken war. In der Kalenderwoche 15 habe der Senat dann nachgezogen, nun gebe es für Berlin endlich 300 Plätze für Wohnungs- und Obdachlose in einem Jugendhostel. „Aber davor bestand eben bereits Handlungsbedarf und den haben wir schließlich mit Bezirksgeldern ausgeglichen“, so Wagner.

Auch glaube er, dass die Einrichtung des Covid-19-Behandlungszentrums in einer Halle der Messe Berlin – mittlerweile sei übrigens wieder von insgesamt 800 anstatt 1000 Betten die Rede – eine hausgemachte Notwendigkeit war. „Wären in der Vergangenheit nicht Krankenhäuser eingespart worden, hätte die Ausstattung des Landes mit Betten jetzt ausgereicht“, so Wagner. Die Parteifarben seien dabei übrigens beliebig austauschbar. Das Krankenhaus an der Fröbelstraße sei unter Rot-Rot-Grün, das in Moabit unter der CDU geschlossen worden.

Für Wagner sind Krisen wie die aktuelle die „großen Wahrsager“. Genügend Krankenbetten vorzuhalten, komme einer Lebensversicherung gleich, ähnlich wie intakte Strukturen der Polizei und Feuerwehr. Das habe sich jetzt gezeigt.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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