"Die Verwaltung muss digital fitter werden"
Mit der Kirstin Bauch hat der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf erstmals eine grüne Rathauschefin
Zehn Jahre war der SPD-Politiker Reinhard Naumann Bürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf. Jetzt trägt mit Kirstin Bauch erstmals in der Geschichte des Bezirks eine Grüne die Amtskette. Beim Stadtratspersonal hat sich sonst aber nicht viel geändert. Dafür wurden die Aufgaben neu verteilt.
Die erste grüne Bürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf ist im Amt. Sie heißt Kirstin Bauch, ist 41 Jahre alt und studierte Sozialwissenschaftlerin. Die gebürtige Stuttgarterin war von 2011 bis 2019 Kreisgeschäftsführerin der Grünen und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundestagsabgeordneten Lisa Paus und der Berliner Abgeordneten Petra Vandrey. Im Wahlkampf gehörte sie zum dreiköpfigen Spitzenteam ihrer Partei für den Bezirk. Kirstin Bauch übernimmt das Zepter von Reinhard Naumann (SPD). Der wollte eigentlich ins Abgeordnetenhaus, verpasste aber den Einzug und will sich nun als Ruheständler ehrenamtlich engagieren. Obwohl der Bezirk mit Kirstin Bauch erstmals in seiner Geschichte eine grüne Rathauschefin hat, ging es bei ihrer Wahl wenig feierlich zu. Das mag an der ungastlichen Turnhalle gelegen haben, in der die Bezirksverordneten am 16. Dezember tagten. Aber auch daran, dass sich die BVV-Sitzung über drei Stunden hinzog. Denn gewählt wurde nicht nur das Bezirksamt, sondern auch der BVV-Vorstand. Andere Bezirke hatten wenigstens das schon im Vorfeld erledigt. Hinzu kam, dass per Stimmzettel und nicht digital abgestimmt wurde, was zur Folge hatte, dass die 54 Bezirksverordneten jedes Mal einzeln zur Urne gerufen werden mussten. Und das bei insgesamt zehn Wahlgängen: vier für den BVV-Vorstand und sechs für die Stadträte. Moderne Verwaltung geht anders.
„Klimaneutral, sozial-ökologisch und nachhaltig“
Das sieht offenbar auch die neue Rathauschefin so. „Die Verwaltung muss diverser, aber auch digital fitter werden“, sagte Kirstin Bauch nach ihrer Wahl. Zuständig für Finanzen, Personal und Wirtschaftsförderung will sie sich in den nächsten fünf Jahren dafür einsetzen, „dass der Bezirk klimaneutral, sozial-ökologisch gestaltet und nachhaltig wird“. Diese Herausforderungen seien nur zusammen mit allen gesellschaftlichen Gruppen zu lösen, so Bauch weiter. Ihr Parteikollege Oliver Schruoffeneger (59), jetzt Stadtrat für den öffentlichen Raum, Ordnung und Umwelt, will vor allem die Verkehrswende im Bezirk vorantreiben. „Dazu zählt, dass der öffentliche Raum zwischen den Verkehrsteilnehmern neu aufgeteilt wird. Die Projekte zur Schulwegsicherheit, die in der letzten Wahlperiode erarbeitet wurden, sollen nun sukzessiv umgesetzt werden.“ Auf seiner To-do-Liste stehen außerdem Logistik-Hubs, die den Innenstadtverkehr entlasten sollen.
Wie berichtet, setzen die Grünen zusammen mit der SPD ihre langjährige Zählgemeinschaft fort. Weil die SPD bei den Verhandlungen das wichtige Stadtentwicklungsressort für sich beanspruchte, musste es Schruoffeneger an den neuen SPD-Stadtrat Fabian Schmitz-Grethlein abgegeben. Der 41-Jährige ist Jurist und Ex-Jusos-Landeschef. Das Nachsehen hatte dabei Heike Schmitt-Schmelz (42). Die SPD verzichtete fürs Stadtentwicklungsressort darauf, ihre Spitzenkandidatin und langjährige Stadträtin zur Bürgermeisterin zu machen und wählte stattdessen Kirstin Bauch mit. Schmitt-Schmelz ist jetzt stellvertretende Bürgermeisterin und hat mit Bildung, Sport, Kultur, Liegenschaften und IT jede Menge neue Aufgaben.
CDU-Stadträte bleiben Arne Herz (43) und Detlef Wagner (53). Sie teilen sich die Ressorts Bürgerdienste, Soziales, Gesundheit und Jugend. Erste Amtshandlung des neuen Sozialstadtrats: Herz besuchte einen Tag nach seiner Wahl die Bahnhofsmission am Zoo und übergab dort 50 Wolldecken, gespendet von der Evangelischen Kirchengemeinde Ahlbeck. Als alter und neuer Gesundheitsstadtrat wird Detlef Wagner weiter die Corona-Krise managen müssen.
„Konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit“
Bei der CDU-Fraktion erwartet man auch deshalb, dass die kommunalpolitische Arbeit nach fast drei Monaten „endlich beginnt“. Denn Charlottenburg-Wilmersdorf ist der letzte Bezirk, der nun sein neues Bezirksamt komplett hat. „Die Politik hat sich jetzt lange genug mit sich selbst beschäftigt. Es wird Zeit, dass wir uns endlich wieder um die Sorgen und Probleme der Bürgerinnen und Bürger kümmern“, sagt CDU-Fraktionschef Martin Frey. In der BVV und dem Bezirksamt biete die CDU „eine konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit an“.
Auch die FDP stellt gleich nach der Wahl Forderungen an die neue Rathausspitze. „Bezirksamt und Bürgermeisterin werden keine Zeit für eine Einarbeitungsphase haben. Zu viele Probleme liegen auf dem Tisch“, so Fraktionschef Felix Recke. „Die Bekämpfung der Corona-Pandemie, eine hohe Pensionierungswelle, ein strauchelnder Einzelhandel samt Leerstand in unseren Einkaufsstraßen, fehlende Termine im Bürgeramt und natürlich die Wohnungsnot.“ Vom Bezirksamt erwarte man jetzt „einen Kickstart in die neue Wahlperiode“.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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