Ein Mann mit Haltung
Sozialstadtrat Detlef Wagner (CDU) ist gut 100 Tage im Amt – ein Portrait
Als von der CDU-Fraktion während der BVV im April vorgeschlagen wurde, Detlef Wagner solle die Nachfolge seines verstorbenen Parteikollegen Carsten Engelmann als Sozialstadtrat antreten, war eine gewisse Verwunderung unter den Bezirksverordneten zu spüren. Doch die Insider wussten: Die Kandidatur ist nur logisch.
Denn Wagner, 51 Jahre alt, ist schon lange bei den Verbänden der Christdemokraten im Bezirk tätig, hatte Ämter inne beim Ortsverband Bismarck, der später Ortsverband Kurfürstendamm hieß, auch beim Kreisverband und rückte bei den jüngsten Kommunalwahlen 2017 als Bezirksverordneter nach. „Warum mich nicht so viele auf dem Schirm hatten, hat sicher damit zu tun, dass ich noch lange unter meinem Mädchennamen Thiele unterwegs war“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Als er die Bezirksverordnete Kristina Wagner heiratete, nahm er deren Familiennamen an. Und spätestens jetzt als Sozialstadtrat wird sich wohl auch der Name Detlef Wagner in den Köpfen verankern.
Der Weg zum Berufspolitiker war für ihn durchaus vorgezeichnet, wenn auch nicht mit dem aktuellen Parteibuch in der Tasche. Er sei in einem politischen Haushalt aufgewachsen, sein Vater sei 1949 der SPD beigetreten und auch seine Tuchfühlung mit der Politik begann bei den Sozialdemokraten. „Mit 16 war ich bei den Falken, den SPD-Pfadfindern“, sagt er. Lange blieb er den Genossen treu, bis etwas passiert sei, was viele SPDler zum Austritt aus ihrer Partei bewegt habe. „Helmut Schmidt wurde anlässlich des Nato-Doppelbeschlusses parteiintern abgewatscht, damit war ich einfach nicht einverstanden.“
„Verprügelte Kippa-Träger, das ist nicht mein Berlin"
Wagner wechselte zur CDU, freilich ohne seine Gesinnung komplett über Bord zu werfen. Keineswegs sei er nun konservativer als vorher und auch das Ressort des Sozialstadtrats käme ihm sehr zupass, sagt er. Schon immer habe er sich für Mitmenschen engagiert. Sein Vater sei ein Antifaschist im besten Sinne gewesen, von ihm habe er bereits mit 14 Jahren gelernt, Gesicht gegen Antisemitismus zu zeigen. Heute sitzt er als einziger Christ im Vorstand des Jüdischen Forums für Demokratie gegen Antisemitismus. „Verprügelte Kippa-Träger, das ist nicht mein Berlin. Schon vor dem Krieg wurden auf dem Ku’damm bei Ausschreitungen jüdische Mitbürger gejagt. Das darf nicht sein, dagegen gehe ich auf die Straße“, sagt Wagner, der gerne seine deutsch-israelische Freundschaftsnadel am Revers trägt. Zwischenzeitlich machte Wagner ein bisschen Politik im Brandenburgischen, der Liebe wegen war er aufs Land gezogen. Er kam aber bald wieder zurück in die Stadt und insgesamt verkörpert er nun bereits seit 34 Jahren die CDU im Bezirk.
Der Mensch Detlef Wagner
Um den Menschen Detlef Wagner beurteilen zu können, ist ein längeres Gespräch mit ihm unabdingbar. Er zählt nicht zu den Marktschreiern seiner Zunft und stimmt zu, dass man ihn deshalb auch unterschätzen könne. Als es um die Nachfolge von Carsten Engelmann ging, einem engen Freund der Familie Wagner, und es im „Haifischbecken CDU“ ob der Hatz nach dem dicken Happen schneller blubberte als es die Pietät erlaubte, sagte sich Wagner: „So nicht.“ Er warf seinen Hut in den Ring und dafür musste er seine Linie ein wenig verlassen. „Ich habe viele Gespräche geführt, um meinen Parteikollegen zu verdeutlichen, dass ich den Posten bekleiden kann." Denn eigentlich, so Wagner, habe ihn sein bisheriges Berufsleben bestens auf den Job als Sozialstadtrat vorbereitet, „weil ich ganz verschiedene Sachen gemacht habe“. Wagner war Polizeihauptkommissar und fünf Jahre Lehrer für Staats- und Verfassungsrecht und politische Bildung an der Landespolizeischule Berlin.
Der echten Nagelprobe wurde er ab 2015 unterzogen, als die Flüchtlingswelle nach Berlin schwappte und die Zustände am LAGeSo nicht mehr tragbar waren. Das ICC wurde unter Leitung Wagners ertüchtigt, um dem Ansturm der Geflüchteten Herr zu werden – innerhalb von nur sechs Wochen. „350 bis 400 Mitarbeiter hatte ich dort unter mir“, sagt Wagner. Personalverantwortung kann er also, das warf er in den Gesprächen in die Waagschale. „Schließlich arbeiten am Bezirksamt in den Bereichen Soziales und Gesundheit auch 350 Menschen.“ Und auch, dass er als Präventionsbeamter viel in Schulen und Altenheimen unterwegs war, um die Probleme beim Sozialpsychiatrischen Dienst wusste und auch bereits mit den Abläufen innerhalb des Gesundheitsamtes vertraut war, dürfte ihm gute Karten beschert haben.
Eine Zwischenbilanz
Vor etwa einem Monat feierte der zweifache Familienvater seine ersten 100 Tage im Amt. Auf der Habenseite der Zwischenbilanz steht die Besetzung zweier wichtiger vakanter Stellen im Gesundheitsamt: die des Amtsarztes und eine im Sozialpsychiatrischen Dienst. „Da habe ich Dampf gemacht, das ist wichtig. Nun ist der Gesundheitsdienst bis auf eine Arzthelferin wieder voll besetzt. Es wird also nicht vorkommen, dass der Außendienst, wie zum Beispiel die Schuluntersuchung der Schulanfänger, nicht wahrgenommen werden kann“, sagt Wagner. Notiert hat er bei der Bestandsaufnahme auch eine äußerst kollegiale, sachorientierte und überparteiliche Zusammenarbeit im Bezirksamt. „Das ist großartig.“
Wagners To-do-Liste ist freilich noch lang. Bedürftige sollen im Zuge des Bundesteilhabegesetzes schon bald alle Leistungen aus einer Hand erhalten, die Pflegequote in den drei Pflegeheimen der Seniorenstiftung muss aufpoliert und die Gehaltsstruktur der Mitarbeiter im Rathaus verbessert werden – um nur einige Aufgaben zu nennen.
Seine Frau Kristina sieht Detlef Wagner trotzdem häufiger als das andere Ehemänner tun. Reibungspunkte gebe es deshalb aber weder in den eigenen vier Wänden noch in den Sitzungssälen. „Wir sind beide Politiker, meine Frau arbeitet Vollzeit als Polizistin. Bei zwei Kindern erfordert das aber schon eine höllische Koordination“, sagt Wagner. Wenn er gerade nicht politisch unterwegs ist, verbringt der Sozialstadtrat gerne Zeit mit seinen Kindern, geht Joggen oder liest ein gutes Buch, wenn noch ein Fitzelchen Zeit übrig bleibt. Er studiert Politikwissenschaften an der Fernuniversität. Theoretisch könne er auch – so wie früher – Tanz unterrichten. „Das passt aber nun wirklich nicht zu einem Stadtrat“, sagt er.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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