Zum Bedenken
Wer betrieb das Lager in der Wilhelmsaue wirklich? (2)

Die Geschichte der Zwangsarbeit und ihrer Lager in und für die Bezirksämtern darf nicht losgelöst von der Entwicklung des Arbeitseinsatz der in- und ausl. Arbeiter und Angestellten innerhalb der gesamten Berliner Stadtverwaltung, sowie der städtischen Gesellschaften und Eigenbetriebe betrachtet werden. Die bisherige Forschung zeigt auf, daß dieser Arbeitseinsatz in all seinem Umfang zentral vom Hauptplanungsamt der Stadtverwaltung der Reichshauptstadt gesteuert wurde. Grundlage dafür war die Kriegsverwaltungsordnung 1939 der Reichshauptstadt, welche de facto die kümmerlichen Reste der "Selbstverwaltung" aus der Neuregelung der Kompetenzen der Stadtbezirke von 1936 beseitigte, was sich auch in den erhaltenen Kriegsverwaltungsberichten von einigen Bezirksämtern widerspiegelt. Die Bezirksämter waren zu reinen Befehlsempfängern herabgesunken und jeder Eigeninitiative beraubt. Ebenso waren alle Kompetenzen von Personal- und Finanzhoheit der Bezirke im Rahmen dieser Verordnung von der Stadtverwaltung übernommen worden. Eigenständig waren die Bezirksämter nur im strikten Gehorsam bei der gewissenhaften Erfüllung der gegebenen Anordnungen und Befehle von oben. Das Hauptplanungsamt bediente sich bei der Umsetzung des Arbeitseinsatzes des Hauptpersonalamt für die Bereitstellung von Arbeitskräften und der Kontingentstelle für Arbeitseinsatz bei der Absicherung der Unterbringung der diestverpflichteten auswärtigen deutschen Arbeitskräfte (ca. 250.000), sowie der ausl. Arbeiter und Angestellten, zu einem großen Teil in Lagern. Nur das Hauptpersonalamt war für die gesamte Berliner Verwaltung beim Landesarbeitsamt berechtigt Antrag auf Zuweisung ausl. Arbeiter für Verwaltung und städtischen Gesellschaften und Eigenbetriebe zu stellen. Alle ausl. Arbeiter und Angestellte standen durch diese Handhabung in einem Arbeitsverhältnis mit der Stadt. Städtische Gesellschaften, Eigenbetriebe hatten nur begrenzt eigene Kontingente an diesen Arbeitskräften und nur einige hatten eigene Lager zur Verfügung. Der größte Teil ausl. Arbeiter und Angestellter war in den Städtischen Lagern untergebracht, welche über das ganze Stadtgebiet in einen eigenen System von Haupt- und Nebenlager verteilt waren. Die Stadtverwaltung setzte diese Arbeitskräfte überall dort ein wo Bedarf bestand und von den Dienststellen der Verwaltung und Bezirksämter Anträge auf zeitweise Überlassung von ausl. Arbeitskräften - ausreichend begründet - gestellt wurden. D.h.: ausl. Arbeiter und Angestellte konnten in allen relevanten Bereichen der Stadt- und Bezirksverwaltungen eingesetzt werden. Gewiß waren viele dieser Arbeitskräfte dauerhaft oder längere Zeit in einem bestimmten Lager untergebracht, aber man konnte heute für die Müllbeseitigung im Stadtbezirk A und morgen bei notwendigen Straßenarbeiten im Stadtbezirk B eingesetzt werden. Eine feste Arbeitsstelle bei einem bestimmten Bezirksamt oder städtischen Eigenbetrieb in diesem Sinne gab es nicht, nur einen festen Arbeitgeber: die Stadtverwaltung der Reichshauptstadt Berlin. Dies ist beim Arbeitseinsatz innerhalb und für die Bezirksämter zu berücksichtigen.

Autor:

Stefan Knobloch aus Charlottenburg

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