Endlich selber kochen
Erste Tempohomes des Bezirks sind bezugsfertig
Die Tempohomes an der Fritz-Wildung-Straße sind bezugsfertig. Seit 8. Juli treffen täglich Geflüchtete in der Gemeinschaftsunterkunft am Wilmersdorfer Stadion ein. Das Rote Kreuz gibt alles für eine Wohlfühl-Atmosphäre und macht damit teilweise gut, was viel zu lange währte.
Mit der Schließung der großen Flüchtlingsunterkunft am Fehrbelliner Platz Ende vergangenen Jahres hätte das Containerdorf bereits fertig sein sollen, um Menschen, die mit Schulkindern und Vereinsmitgliedschaften bereits fest in den Wilmersdorfer Alltag eingebunden waren, nicht wieder aus ihrer Verankerung zu reißen. Daraus wurde nichts und Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) und die Mitglieder der Initiative „Freiwillige helfen im Rathaus Wilmersdorf“ schrien Zeter und Mordio, weil ihrer Ansicht nach der Bauträger, die Berliner Immobilien Management (BIM), nicht genügend Druck auf die ausführenden Bauunternehmen ausgeübt habe und sie ihre Arbeit der letzten Jahre konterkariert sahen.
Im März 2018 äußerte Naumann die vorsichtige Hoffnung, im April könnten die Tempohomes bezugsfertig sein, doch die zerschlug sich erneut. Jetzt, drei Monate später, ist es so weit. Den Wermutstropfen, Bewohner vom Fehrbelliner Platz in andere Bezirke geschickt haben zu müssen, versuchte das Bezirksamt möglichst klein zu halten. „Wir haben großen Aufwand betrieben, die Menschen zurückzuholen. Manche haben das Angebot angenommen, manche waren mit ihrer gegenwärtigen Situation zufrieden und haben abgelehnt“, sagte Stadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD), die urlaubsbedingt gerade die Stellung im Rathaus hält. „Ich freue mich, dass nach so langer Zeit die Gemeinschaftsunterkunft bezogen werden kann. Dank dieser Tempohomes können nun viele geflüchtete Menschen selbstständiger wohnen und Privatsphäre genießen. Insbesondere freue ich mich jedoch mit den Bewohnern, die sich nach langer Zeit endlich ihre Mahlzeiten selber zubereiten können.“
Die maximal 160 Bewohner am Stadion setzen sich nun aus den Belegungen der Unterkünfte im ehemaligen Wilmersdorfer Rathaus, der Lietzenburger Straße und des Kaiserdamms zusammen. Betrieben werden die Tempohomes vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Der Vertrag läuft zunächst sechs Monate und wird dann voraussichtlich um drei Monate verlängert. „Danach wird der Betrieb europaweit ausgeschrieben“, sagt Heimleiter Paul McGimpsey, der bereits die im März 2018 geschlossene Unterkunft in der Rognitzstraße führte. An der Ausschreibung werde sich auch das DRK beteiligen.
Vier Menschen beziehen jeweils einen Container, jeweils zwei teilen sich einen Schlafraum. In jeder Unterkunft befinden sich eine Toilette, eine Dusche und eine kleine Küche. Dazu erhalten die Bewohner zum Einzug eine Grundausstattung, Besteck, Geschirr und Kochtopf. Die Anlage ist großzügig konzipiert, es gibt einen großen Gemeinschaftsraum, eine Feuerstelle unter freiem Himmel, Gemeinschaftswaschmaschinen und -trockner. In einem Raum im Kita-Style werden Kinder betreut. Im Gemeinschaftsraum muss der Betreiber Internetanschluss gewährleisten, aber McGimpsey bemüht sich um flächendeckendes WLAN. „Das ist enorm wichtig. Jobsuche, Wohnungssuche, Kommunikation mit der Familie in der Heimat, alles läuft über das Netz.“ Der Clou für die Kinder und Jugendlichen ist ein neuer Spielplatz auf einer Anhöhe neben den Wohncontainern. „Ist schon bespielt worden, mit leuchtenden Augen“, sagt McGimpsey. Das DRK-Team ist international. Sprachmittler, Sozialarbeiter und Gewaltschutzkoordinatoren beugen auf dem Gelände zwischenmenschlichen Problemen und Spannungen vor, ein Hausmeister hält die Anlage in Schuss.
McGimpsey und seine Stellvertreterin Chagit Gruemblatt, die viele Bewohner noch aus der Lietzenburger Straße kennen, haben noch alle Hände voll zu tun, gerade liegt der Fokus auf der optimalen Belegung der Container. „Alleinreisende Mütter ziehen in der Nähe der Verwaltung ein und wenn jemand mit seinem Kumpel zusammenwohnen kann, ist er von Anfang an glücklich“, sagt McGimpsey. In Ausnahmefällen bleibe mal ein Bett frei, aber aus wirtschaftlichen Gründen müsse die Auslastung schon möglichst hoch sein, so der Heimleiter.
Langfristig ist es ihm wichtig, das Dorf mit seinen Bewohnern nicht von der „Community“ abzugrenzen. Ideen hat er reichlich. So will er prüfen, ob der Spielplatz öffentlich zugängig gemacht werden kann und anregen, die minderjährigen Bewohner zu DRK-Mitgliedern zu machen, damit ihnen Angebote wie beispielsweise Schwimmkurse offen stehen. Auch plant er eine Vernetzung mit dem benachbarten Seniorenheim. „Wir haben das große Glück, dass das Umfeld uns wirklich helfen will“, sagt er. „Am Anfang waren die Anwohner schon besorgt, aber das ist nicht mehr so.“ Aus gutem Grund, wie er findet: „Ich habe es wirklich zu 99 Prozent mit sehr netten, aufgeschlossenen Bewohnern zu tun, die sich integrieren wollen.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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