Boxen im Baudenkmal

Detlef Albrecht (Foto: privat)
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Das hat was für sich: Boxtraining in der denkmalgeschützten Villa eines Bankiers aus der Vorkriegszeit.

Die Villa Bab entstand 1923/24 im expressionistischen Stil an der Kreuzung von Konstanzer und Ruhrstraße. Sie wurde im Krieg beschädigt und mit Veränderungen wiederhergestellt. Dabei wurden im Sockelgeschoß Ladenräume eingebaut. Unter den Unternehmen, die dort einzogen, ist seit zehn Jahren der Kampfsportverein Combat Berlin.

Combat Berlin

Der Eingang zum Verein liegt im Portikus an der Ruhrstraße; hier war ursprünglich der Hauseingang. Und an der Stelle des langgestreckten Übungsraums befanden sich ursprünglich Garage, Turnhalle und Schwimmbad des Bankiers. Combat Berlin ist durch seine Erfolge beim Kickboxen bekannt, aber es gibt auch eine Box-Abteilung, die seit einem Jahr Mitglied im Berliner Box-Verband und damit Teil des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ist. Die Mitglieder der Boxabteilung, darunter auch eine Anzahl weibliche, sind vorwiegend Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 20 Jahren. Ihr Trainer ist Detlef Albrecht.

Detlef Albrecht

Detlef Albrecht war mit 14 Jahren eher zufällig zum Boxen gekommen. „Ein Mitglied vom Boxverein sagte mir: ‚Komm doch mal mit‘, und ich habe einfach mitgemacht. Ein halbes Jahr später gab es eine Überprüfung, ob ich fürs Boxen geeignet bin, das war ich, und dann kam ich auf die KJS Werner Seelenbinder beim SC Dynamo.“ Das war eine der Kinder- und Jugend-Sportschulen der DDR – Internate, die talentierte Jugendliche aufnahmen und ausbildeten. Täglich fand Unterricht und Training statt in Klassen mit neun Schülern. Nach der 10. Klasse und einer Lehre wurde Detlef Albrecht Leistungssportler. „Mich hat immer am Boxen gereizt, das allein auszufechten. Und dabei dem Gegner meine Taktik aufzuzwingen versuchen.“
Während seiner Laufbahn nahm er an der Kinder- und Jugendspartakiade 1981 in Berlin teil, wo er Spartakiadesieger wurde, gewann 1982 und 1984 bei den DDR-Meisterschaften die Bronzemedaille im Schwergewicht und trat bei internationalen Turnieren an, darunter in Frankreich, Ungarn, Bulgarien, UdSSR, Tschechoslowakei und Polen. „Es hatte ja auch seine Vorteile als Leistungssportler in der DDR, aber eben auch: Training,Training und nochmals Training.“ 1985 beim renommierten internationalen Boxturnier des TSC Berlin, „da habe ich leider gegen einen Boxer aus der UdSSR im Halbschwergewicht verloren.“ Im Jahr darauf hörte er mit dem Boxen als Beruf auf. Seit 2020 ist Detlef Albrecht als lizenzierter Boxtrainer bei Combat Berlin tätig.

Boxen

Wenn Detlef Albrecht sich in den Clubräumen umschaut und sagt „Das ist mein Leben“, kann man ihm das unbesehen glauben, wenn man sieht, wie die Kursteilnehmer sich von ihm verabschieden. Das Training hatte eine Stunde gedauert, es fing wie jedes an mit der Aufstellung der Teilnehmer vor ihm mit Blick auf die Spiegelwand, die sich über fast die ganze Länge des Übungsraums hinzieht. 20 Kinder und Jugendliche, das sieht nach viel aus, erscheint aber sinnvoll, da sich für die Partnerübungen besser gleichwertige Paare bilden lassen.
Jetzt ist die altersgemischte Trainingsgruppe dran. In der Aufwärmphase laufen die Teilnehmer hintereinander in einem langgezogenen Oval und machen Lockerungs- und Dehnungsübungen für Schultergürtel und Beine. Dazu gehört die Aufgabe „In Boxstellung bleiben!“ – also ein Fuß weiter vor, einer zurück – und dabei in kleinen Schritten abwechselnd ein Stück nach links und rechts von der Laufrichtung abweichen. Später geht es mit Partnerübungen weiter, Schlagkombinationen zum Beispiel: „Angriff: Führungshand gerade, Schlaghand gerade – Schritt rückwärts, Verteidigung: Schlaghand gerade, Führungshand gerade, Schlaghand aufwärts“; dann ist der Partner dran. Auch bei schneller Schlagfrequenz wirken die jeweiligen Partner so zusammen, daß sie nicht Körper oder Kopf treffen. Denn dies hier ist Training, an dem viele drei-, viermal die Woche teilnehmen.
„Ich gehöre zu den selten gewordenen Trainern der ‚alten Schule‘, denen die Grundschule des Boxens wichtig ist und nicht, möglichst kräftig auf einen Sandsack einzuprügeln.“ Mit der ‚Grundschule des Boxens‘ meint Detlef Albrecht die abgestimmte Zusammenarbeit von Hand und Fuß. Daher sind für ihn entscheidende Voraussetzungen für diesen Sport, „koordinativ und geschmeidig zu sein“. Oder wie es ein vorbeigehender Kickboxschüler ausdrückt: „Boxen ist wie Tanzen“.
Manche seiner Boxschüler nehmen auch an vom Box-Verband organisierten Wettkämpfen teil. Zwei sind sogar Schüler-Meister, das ist die unterste Klasse für die 10- bis 12jährigen. Gekämpft wird nach den Regeln des olympischen oder Amateur-Boxens. Das bedeutet: immer mit Kopfschutz, und ein Kampf geht über drei Runden (statt zwölf beim Profiboxen) à eine Minute (ältere Sportler boxen bis zu drei Minuten). Die geringere Rundenzahl bewirkt, daß das Tempo höher ist, weniger geklammert wird, die Sportler bis zum Ende verteidigungsfähiger bleiben und es zu weniger K.o.s kommt.
Und wie war es mit Verletzungen? „Ein paar hatte ich, die Augenbrauen, auch die Nase, aber die ist sehr schön wiederhergestellt, und mal einen Finger gebrochen. Das kam, weil ich schräg geschlagen hatte.“ Trotz der dick aussehenden Boxhandschuhe müssen die Finger bis über das Handgelenk fest gewickelt werden, um sie zu stabilisieren, besonders das Handgelenk, damit es nicht abknickt. Das überprüft der Ringrichter vor dem Kampf.
Zum Schluß noch einmal für den Außenstehenden ein etwas überraschender Eindruck, weil er so gar nicht zum Bild von (Berufs-)Boxern zu passen scheint: die freundliche oder, wie Detlef Albrecht sagt, „familiäre Atmosphäre“ unter den Vereinsmitgliedern.

Dies ist die gekürzte Fassung des gleichnamigen Beitrags im August-Heft von KiezWilmersdorf.

Autor:

Michael Roeder aus Wilmersdorf

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