Nach über 100 Jahren noch im Stadtplan erkennbar
Der Schwarze Graben

Karte 1 - nach Fischer/Eckler/Scholze, Geschichten aus Charlottenburg: Lützow und Umgebung um 1680
4Bilder
  • Karte 1 - nach Fischer/Eckler/Scholze, Geschichten aus Charlottenburg: Lützow und Umgebung um 1680
  • hochgeladen von Michael Roeder

Den Schwarzen oder Haupt-Graben in Wilmersdorf, Schöneberg und Charlottenburg gibt es zwar seit Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr, aber er hatte Einfluß auf die Stadtplanung und ist noch heute deutlich erkennbar am Verlauf verschiedener Grünanlagen und Straßenzüge. Er diente sowohl der Entwässerung der sumpfigen Landstriche östlich und nördlich von Wilmersdorf und des Lietzensees als auch dem Abtransport von Fäkalien.

Entstehung und Verlauf

Um 1680   Ausgangspunkt ist eine Karte von 1680 [Karte 1]. Sie zeigt den ursprünglichen Bach „Schwarzer Graben“ von seinem Ausgangspunkt nordwestlich des Botanischen Gartens (heute: Kleistpark) bis zur Einmündung in die Spree kurz oberhalb der Schloßbrücke, wobei er auf dem Weg dorthin das sumpfige Hopfenbruch (das Gebiet zwischen Kurfürstendamm und Berliner Straße) durchfloß, den Kurfürstendamm am Priesterweg (Leibnizstraße) unterquerte und schließlich noch den Abfluß des Lietzensees aufnahm.

Um 1800   Im 18. Jahrhundert wurde der Bach zu einem Abflußgraben ausgebaut und wesentlich verlängert. Auf einem Plan von 1800 [Karte 2] sieht man diesen neugeschaffenen südlichen Grabenteil, der die Verbindung zwischen dem Wilmersdorfer See und dem einstigen Bach am Botanischen Garten herstellte. Hier ist diese Verlängerung noch namenlos; auf späteren Karten wird sie „Großes Fenn“ genannt. Mit diesem Vorflutgraben wurde das sumpfige Fenn zwischen Wilmersdorf und Schöneberg (heute: Volkspark) entwässert und Regenwasser abgeführt. Der Graben lief, parallel zur Hauptstraße, unmittelbar am Rand des Dorfes Schöneberg entlang und bog nach Unterquerung der Akazienstraße nach Norden ab, direkt auf den ausgebauten Bach zu, der auf dieser Karte mit „Haupt-Graben“ bezeichnet wird. Gleichzeitig hatte man diesen ein Stück nach Osten verlängert.

1862/Schöneberg   Im Schöneberger Teil des Hobrechtplans von 1862 [Karte 3] ist zu erkennen, wie der Graben – nachdem er nach Norden abgeknickt ist – als nächstes die Straße 13 (Grunewaldstaße) unterquert. Fast auf der gesamten Länge dieses nordwärts führenden Abschnitts wurde später die Gleditschstraße angelegt. Am nördlichen Ende des späteren Winterfeldtplatzes (auf der Karte Straßen 14 und 12) mündete das „Große Fenn“ schließlich in den nach Westen fließenden „Haupt-Graben“. An dieser Stelle ist im Hobrecht-Plan die Straße 19 eingetragen; dies ist die spätere Winterfeldtstraße. Der Graben führte nun schnurstacks – über Viktoria-Luise-Platz, Regensburger Straße und Pariser Straße – bis zum Olivaer Platz. Dabei durchquerte er, wie bereits erwähnt, das Hopfenbruch am Nordrand von Wilmersdorf.

1862/Charlottenburg   Im Charlottenburger Teil des Hobrechtplan (hier mit Überlagerung der Stadtbahn ab 1882) [Karte 4] läßt sich anhand des Straßennetzes der Verlauf des Schwarzen Grabens gut nachvollziehen. Noch ist die Giesebrechtstraße, die nach 1893 anstelle des Grabens angelegt wurde (siehe unteren Pfeil), noch nicht einmal geplant. Der obere Pfeil weist auf den abschließenden Grabenverlauf, nachdem er den Stuttgarter Platz passiert hatte. Heute verläuft hier anstelle des Grabens, bis kurz vor seiner Mündung in die Spree, die Kaiser-Friedrich-Straße.

Sein Ende

1880 wurde der gesamte Schwarze Graben auf Schöneberger Gebiet zwischen Dominicustraße und Bundesallee unterirdisch verlegt. Es handelte sich um eine Tonrohrleitung von 50-60 cm Ø, die den zum Abwasser- und Fäkalienkanal mutierten Graben aufnahm. „In Charlottenburg ergaben sich völlig unhaltbare Zustände, denn hier ging der Schwarze Graben noch offen durch das Gelände.“ Erst durch einen Vertrag von Wilmersdorf, Friedenau und Schöneberg mit Charlottenburg aus dem Jahr 1888 über den Bau einer Kanalisation, in die die Abwässer eingeleitet werden sollten, „erhielt Charlottenburg die Berechtigung, den Schwarzen Graben zu beseitigen“.* So war schließlich vom Wilmersdorfer See bis zur Einmündung des Lietzenseeabflusses an der Schustehrusstraße der Graben zugeschüttet. Das letzte offene Stück von dort bis zur Spree bestand noch in den 1890er Jahren. Erst nachdem in den ersten Jahren des 20. Jahrhundert auch der Abfluß des Lietzensees zur Spree verrohrt worden und an seiner Stelle Hebbelstraße und Lohmeyerstraße entstanden waren, war der Schwarze Graben auf seiner ganzen Länge verschwunden.

Seine Spuren im heutigen Stadtbild

In folgenden Grünanlagen und Straßen läßt sich also der Schwarze Graben noch heutzutage wiederfinden:
in Wilmersdorf im Volkspark Wilmersdorf
in Schöneberg: Rudolph-Wilde-Park – Heinrich-Lassen-Park – Gleditschstraße – Winterfeldtstraße – Viktoria-Luise-Platz – östlicher Abschnitt der Regensburger Straße
nochmals in Wilmersdorf im westlichen Abschnitt der Regensburger Straße und in der Pariser Straße
schließlich in Charlottenburg: Giesebrechtstraße – Ostende des Stuttgarter Platzes – Kaiser-Friedrich-Straße – Lohmeyerstraße.

Und noch bis in die heutige Zeit wirkt der Schwarze Graben auch ganz unmittelbar nach, wie gelegentliche Schäden an Häusern zeigen, die auf dem sumpfigen Untergrund gebaut wurden, z.B. am Heinrich-Lassen-Park in der Belziger Straße 53c, auch bekannt als "das schiefe Haus von Schöneberg". Dasselbe gilt für das „Nasse Dreieck“ (östlich der Schloßstraße, umgeben von Hebbel-, Fritsche- und Zillestraße), wo seit 1905 auf sumpfigem Gelände Miethäuser gebaut wurden, die wegen Einsturzgefahr 1972 endgültig abgerissen werden mußten.
___________________________________
* Fred Niedobitek, Die Entwicklung der Stadthygiene und Gesundheitspflege in Schöneberg im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Zeittafel zum Bau der Kanalisation in Schöneberg, S. 1 und Helmut Winz, Es war in Schöneberg. Aus 700 Jahren Schöneberger Geschichte, S. 120.

Basierend auf Vorarbeiten im Kiezer Weblog; zuerst im Druck erschienen in den Heften Februar/März 2022 von KiezWilmersdorf und KiezSchöneberg.

Autor:

Michael Roeder aus Wilmersdorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

16 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 406× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 1.110× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 771× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.224× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 2.117× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.