Sorgenkind Straßenbaum
Fast jeder zweite Schattenspender weist starke Mängel auf
Die beiden vergangenen Sommer waren heiß und vor allem trocken, das hat Berlins Straßenbäumen arg zugesetzt. Beinahe jeder zweite Baum weise relevante Mängel auf, wie Stadtentwicklungsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Bündnis 90/Die Grünen) mitteilt.
Im Vorfeld der Bezirksverordnetenversammlung am 12. September hatten die Fraktionen von FDP und CDU gemeinsam symbolisch einen Baum gegenüber des Charlottenburger Rathauses gepflanzt, um ihrer Forderung nach der Aufforstung im Bezirk Nachdruck zu verleihen. Der Akt veranlasste Grünen-Baustadtrat Oliver Schruoffeneger nun zur einer Stellungnahme: „In der Sache teile ich die Forderung, Berlin muss wesentlich mehr für die Straßenbäume tun. Der Adressat dieser Forderung muss aber das Abgeordnetenhaus und nicht der Bezirk sein."
In der Tat habe der Straßenbaumbestand des Bezirks weiter gelitten und sich von 2013 bis 2018 von 43 871 auf 42 685 Stück reduziert. Schruoffeneger sieht sich ein wenig zur Tatenlosigkeit verdammt, denn seit 20 Jahren stelle das Land den Bezirken nicht die notwendigen Mittel für die Baumunterhaltung zur Verfügung. "Nach fachlich belegten bundesweiten Standards fallen Kosten in Höhe von 85 Euro pro Straßenbaum jährlich an, um den vorhandenen Bestand zu erhalten und Neupflanzungen durchführen zu können. Die Berliner Bezirke erhalten weniger als 50 Euro. Dies hat nach nunmehr 20 Jahren und den Hitzesommern 2018 und 2019 fatale Folgen", so der Stadtrat.
Grünflächenamt kommt kaum hinterher
Zurzeit bestünden an rund 20 000 Straßenbäumen im Bezirk relevante Mängel. Meistens handele es sich um Totholz. Etwa jeder zweite Baum ist betroffen, mit dem Herausschneiden des alten Holzes kommt das Grünflächenamt kaum hinterher. "Über all die Jahre ist ein enormer Bearbeitungsstau aufgelaufen. 2017 habe ich die Entscheidung getroffen, alle Ressourcen auf die Sicherung des Bestands zu konzentrieren und die Verkehrssicherheit herzustellen. Jeder eingehende Altbaum hat ökologisch, also hinsichtlich der CO₂-Bilanz, viel gravierendere Folgen als eine um einige Jahre verschobene Neupflanzung." Für das kommende Jahr seien aber die Vorbereitungen, wie Auswahl und Prüfung der Standorte sowie der Baumarten, wieder in vollem Gange. Es werde einige Neupflanzungen geben, so der Stadtrat.
Auch die geringe Schlagkraft des Grünflächenamts schade dem Bestand. Laut Schruoffeneger hatte das Amt 2002 einen Personalbestand von 267 Mitarbeitern, aktuell sind es 172. Im Sachmittelbereich standen 2002 noch 5,872 Millionen Euro zur Verfügung, 2018 waren es 2,676 Millionen Euro. "Der Bereich der Grünflächenunterhaltung war in den beiden vergangenen Wahlperioden der Steinbruch des Bezirks für Einsparungen aller Art. Dies musste Konsequenzen haben, die wir nun spüren. Für den Haushalt 2020/2021 haben wir insbesondere den Bereich der Baumunterhaltung wieder personell gestärkt." Krokodilstränen würden nicht helfen, schließlich würden Experten seit Jahren vor den fatalen Folgen der Sparmaßnahmen für den Berliner Baumbestand warnen, teilt der Baustadtrat mit. "Ich würde mich daher sehr freuen, wenn CDU und FDP auch im Abgeordnetenhaus die Forderung unterstützen, den Zuweisungsbetrag des Landes an die Bezirke endlich auf die fachlich unstrittigen 85 Euro pro Baum anzuheben.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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