"Unser Klimaprojekt funktioniert"
Hochschule und BID testen moderne Stadtbegrünung
Pflegeleicht und wenig durstig: Das sollte moderne Stadtbegrünung leisten. Ein Beispiel ist der Tauentzien. Dort untersuchen Studenten, wie sich die Stauden trotz Hitze und Autoabgasen so machen und was da so alles herumschwirrt.
Der Tauentzien blüht in Rot, Gelb und Veilchenblau. Mittendrin rüsselt eine Honigbiene süßen Nektar. Hartmut Balder ist zufrieden. „Die Pflanzen könnten zwar noch besser wachsen, aber unser Klimaprojekt funktioniert.“ Balder ist Professor an der Berliner Hochschule für Technik und die leitet zusammen mit der BID Ku’damm-Tauentzien GmbH ein Projekt moderner Stadtbegrünung auf dem Mittelstreifen der Tauentzienstraße. „Modern“, das heißt in Großstädten vor allem pflegeleicht, bezahlbar und gleichwohl Habitat für möglichst viele nützliche Insekten – was auf dem Tauentzien so einfach nicht ist, knallt dort doch erbarmungslos die Sonne, schwängern Abgase die Luft und unten drunter fährt die U-Bahn. Da machen Rosen und Tulpen schnell schlapp.
Kaum Unkraut, keine Schädlinge
Trotzdem steht der Mittelstreifen des Tauentzien in voller Blüte. Das Geheimnis ist der Boden. „Der besteht aus groben Substraten wie Recyclingstoffen, Kohleresten, kleinen Steinen und Mineralien von Abbrucharbeiten. In diesem Boden versickert das Wasser sofort“, erklärt der Professor. Strukturstabiler Boden nennt der Fachmann das. Biologisch sind solchen Böden tot, bringen damit aber auch keine Schädlinge mit. Auch Unkraut wächst hier kaum. Sommerblühende Canna-Stauden, Wandelröschen, Vanilleblumen, Prachtkerzen, Kapkörbchen und Chinaschilf gedeihen dagegen prächtig. Bis zu 30 Zentimeter tief reichen ihre Wurzeln. Weil das Ganze ein großer Freilandversuch ist, werden die Pflanzen drei Mal im Jahr ausgewechselt.
Insekten fangen für die Wissenschaft
Hartmut Balder und seine Studenten, die angehende „Urbane Pflanzen- und Freiraum-Manager“ sind, haben heute aber etwas anderes vor. Sie überprüfen Klebefallen. „Wir schauen jetzt nach, was da so alles an Insekten gefangen ist“, sagt Markus Ulrich. Was die Studenten finden, sind Flor- und Schwebfliegen, Schlupf- und Erzwespen, die natürliche Gegenspieler von Pflanzschädlingen wie Blattläusen, Weißen Fliegen oder Käfern sind. Der Professor hält den Daumen hoch: Alles im grünen Bereich. „Wir werden jetzt überlegen, wie wir mehr Insekten fördern können und den Boden weiterentwickeln, damit die Pflanzen noch besser gedeihen.“ Denn wo die Blätter üppig und vital sind, ist auch die Luft reiner.
Gewässert wird täglich
Während der Professor und seine Studenten weiter an ganzheitlichen grünen Konzepten in Zeiten des Klimawandels forschen, haben Andreas Bäthge und Miguel José da Costa Gomes ihr Tagwerk beendet. Die beiden Männer gehören zum Team von Jan Ssymank. Er ist Bauleiter bei „Kittel und Kruska“. Die Berliner Firma für Garten-, Landschafts- und Sportplatzpflege kümmert sich um die Pflanzen auf dem Mittelstreifen – zusammen mit der BSR, die die Rasenflächen pflegt. „Wir müssen hier jeden Tag wässern“, sagt Ssymank. Morgens um 5.30 Uhr bricht sein Team mit einem Wasserwagen auf, bevor die Touristen kommen und es zu heiß wird. Rund 2500 Liter Wasser hat der Wagen getankt. Ist er leer, wird am Hydranten aufgefüllt.
„Es ist wichtig, dass wir dafür Geld in die Hand nehmen, damit es hier schöner wird“
Aufgabenträgerin für das Stadtbegrünungsprojekt ist seit 2018 die BID Ku’damm-Tauentzien GmbH. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Aufenthaltsqualität des 1,2 Kilometer langen Abschnitts zwischen Wittenbergplatz und Uhlandstraße zu verbessern und damit auch den Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße attraktiver zu machen. Mit öffentlichem Wlan zum Beispiel und mehr Grün. Das Stadtbegrünungsprojekt mit der Hochschule finanziert die BID über eine Abgabe von lokalen Geschäftsleuten und Grundstückseigentümern. „Es ist wichtig, dass wir dafür Geld in die Hand nehmen, damit es hier schöner wird“, sagt Romy Schubert. „Für die Touristen und für die Berliner.“ Neun Millionen Euro hat die BID insgesamt im Budget. Die sollen bis Mitte 2023 und damit über einen Zeitraum von fünf Jahren für sechs Maßnahmepakete vom Wittenbergplatz bis zur Uhlandstraße ausgegeben werden. Das Projekt auf dem Mittelstreifen des Tauentziens ist übrigens für den Bundespreis "Stadtgrün 2022" nominiert.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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