Als Busfahrer bei der BVG

Jekonja Gräfe vor Doppeldecker Enviro500
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Wie wird man eigentlich Busfahrer bei der BVG? Wie wirkt sich der Beruf auf das Privatleben aus? Haben Busse an Haltestellen eigentlich Vorfahrt? Dies sind einige der Fragen, die ein BVG-Mitarbeiter uns im Gepräch beantwortet hat.

Von Kindesbeinen an hatte Jekonja Gräfe den Wunsch, „etwas mit Personenbeförderung“ zu machen. „Unsere Verwandten wohnten in Hessen. Die Reisen dorthin mit Zug oder Flugzeug hatten mich auf diese Idee gebracht.“ Ein U-Bahnbuch förderten noch diesen Berufswunsch. Aber dann wurde er doch Gebäudreiniger. „Die Arbeitsplätze sind aber unsicher. Wenn Auftraggeber wegfallen, kann der Job rasch auch weg sein.“ So bewarb sich Jekonja Gräfe bei der BVG als Busfahrer. Warum nicht Taxifahrer? „Da gibt es keine festen Arbeitszeiten und Einkommen.“ Und U-Bahnfahrer ohne den Verkehrsstreß? „Arbeit im Tageslicht ist mir lieber. Und der Kontakt mit meinen Fahrgästen.“

Wege zum Beruf

„Es gibt zwei Wege, um Busfahrer zu werden: eine dreijährige Ausbildung für den kaufmännischen Beruf Fachkraft im Fahrbetrieb oder durch Berufsqualifikation. Bei der Ausbildung durchläuft man alle Abteilungen. Der zweite Weg ist für Quereinsteiger, die schon eine andere Berufsausbildung haben. Das ist die beschleunigte Grundqualifikation. Sie dauert gut vier Monate und schließt Führerschein und IHK-Prüfung ein. Zu den Voraussetzungen gehört unter anderem, daß man gut sieht, schnell reagiert und keine polizeilichen Eintragung wegen Körperverletzungsdelikten hat.“ Dies wiird verständlich, wenn man bedenkt, daß ein Busfahrer ruhig Blut braucht, da Fahrgäste zunehmend schneller gereizt sind und auch gelegentlich handgreiflich werden, was in letzter Zeit zu Polizeieinsätzen geführt hat. Deshalb gehört zur Ausbildung auch ein Training, wie man mit den Fahrgästen kommuniziert. Dies ist auch Teil der Plichtmodule, die alle fünf Jahre wiederholt werden, um den Führerschein für Personenenbeförderung verlängert zu bekommen. „Weiter gehören dazu Fahrübungen, Einhaltung des Sicherheitsabstandes zu Radfahrern, Umgang mit Rollstuhlfahrern und auch Ernährung und Erhaltung der Gesundheit.“

Ein Leben in Schicht und Turnus

Jekonja Gräfe wurde vor gut fünf Jahren einer von über 6.000 BVG-Busfahrern. Diese Zahl klingt nach viel, aber in Wirklichkeit gibt es einen erheblichen Fahrermangel. Deshalb ist es Ziel der BVG für 2023, für alle sechs Betriebshöfe 600 Fahrer zusätzlich einzustellen. „Das wird auch gelingen. Und im Lauf des ersten Jahres wird sich dann zeigen, wie gut die neuen Kollegen mit dem Schichtdienst klarkommen.“ Es gibt den Frühdienst, der vor 4 Uhr anfängt, die Mittelschicht und den Spätdienst, der maximal bis 1.30 Uhr geht, da die Nachtbusse vom Tochterunternehmen Berlin Transport (BT) gefahren werden. Die tägliche Arbeitszeit beträgt in der Regel 7 ¾ Stunden und darf 9 ½ Stunden einschließlich Pause nicht überschreiten. Zwei Formen des Turnus, in dem sich Arbeits- und freie Tage abwechseln, werden angeboten: entweder regelmäßig fünf Tage Arbeit und das Wochenende frei oder ein achttägiger Turnus mit abwechselnd sechs oder fünf Arbeitstagen am Stück. „Ein Busfahrer muß sein Leben um den Beruf bauen.“ 

Betriebshof Cicerostraße

„Nach meiner Einstellung ging es gleich in den Turnus. Die ersten zwei Wochen war noch ein Lehrfahrer dabei. Eine Stammlinie gibt es nicht. Jeden Tag fährt jeder auf einer anderen Linie.“ Ein Busfahrer vom Betriebshof Cicerostraße muß sich mit 20 der insgesamt 36 Tageslinien des Hofes auskennen. „Sie reichen bis Lichterfelde Süd, Turmstraße, Brixplatz und Stralau.“ Dabei kommt es auch zu Gebietsüberschneidungen der insgesamt sechs Busbetriebshöfe. In Wilmersdorf zum Beispiel fahren auch Busse, für die die Depots in Britz und Spandau zuständig sind.
Der Betriebshof Cicerostraße ist der älteste der BVG und wurde 1900 als Straßenbahndepot eröffnet. 1939 wurde er geschlossen, die Gebäude im Krieg zerstört und nach Kriegsende das Gelände 18 Jahre lang an Kleingärtner vergeben. Zur Neueröffnung als Busdepot im Jahr 1958 wurde eine neue Halle errichtet. „Dort finden Inspektionen und die meisten Reparaturen statt. Für größere Sachen müssen die Busse in die Werkstatt in Lichtenberg.“ Jetzt am frühen Nachmittag ist der Hof so gut wie leer, morgens gegen 01:00 Uhr werden hier wieder ca. 270 Busse im Freien stehen.

Verschiedene Erfahrungen

Mehrere Jahre war Jekonja Gräfe Busfahrer. Er faßt seine Erfahrungen so zusammen: „Es wäre schön, wenn man unsere Arbeit noch mehr schätzen würde.“ Und er erklärt das mit den täglichen Erschwernissen: „Da sind Haltestellen oder Busspuren zugeparkt. Leute haben sich auf die Straße geklebt und man muß ewig stehenbleiben. Man will sich wieder in den Verkehr einfädeln und ein Autofahrer gibt noch schnell Gas, obwohl er uns nach der neuen Straßenverkehrsordnung Platz machen muß.* Ragen die Baumäste zu tief in die Fahrbahn, paßt der Doppeldecker noch durch? Baustellen. Schadhafte Straßenoberfläche. Auf Radfahrer muß man besonders gut aufpassen. Oft ist es auf der Busspur nicht möglich, sie zu überholen.“ Andererseits gefällt Jekonja Gräfe der Kontakt mit den Menschen: „Ein Späßchen beim Fahrkartenverkauf. Gelegentlich schenkt jemand Kekse oder Schokolade. Kinder winken einem.“
Von BVG-Seite gibt es Unterstützung am Arbeitsplatz und innerbetrieblich. „Da sind die Fahrersitze, sehr teuer und in alle möglichen Stellungen zu bringen. Sollte man dennoch Rückenbeschwerden beim Fahren bekommen, gibt es den Betriebsarzt. Es gibt auch Zuschüssse zu sportlichen Aktivitäten. Fühlt man sich durch die Arbeitssituation gestreßt, kann man sich an den sozial-medizinischen Dienst wenden.“ Die Fürsorgepflicht gilt auch, wenn Fahrgäste geschädigt werden. „Falls ein Fahrer scharf bremst und jemand stürzt und Anzeige erstattet, erfolgt meist ein Freispruch. Kommt es doch zu einer Verurteilung, übernimmt meist die Versicherung die zivilrechtlichen Folgen, also Schmerzensgeld. Etwaige strafrechtliche Konsequenzen muß der Fahrer natürlich selbst tragen.“

Gruppenleiter im Fahrdienst

Seit einem Jahr ist Jekonja Gräfe nur noch gelegentlich ‚auf dem Bock‘, denn er ist nach einer viermonatigen betriebsinternen Ausbildung Gruppenleiter im Fahrdienst geworden. Eine Gruppe besteht aus 50 Fahrern. Insgesamt gibt es im Depot Cicerostraße ungefähr 550 Fahrer, darunter ca. 50 Frauen. „Als Führungskraft bin ich dafür verantwortlich, den Betriebsablauf sicherzustellen. Desweiteren sind wir Ansprechpartner für jegliche Anliegen der Kollegen, zum Beispiel auch für die Urlaubsplanung.“
Hätte Jekonja Gräfe einen Wunsch frei an die anderen Verkehrsteilehmer, so wäre das: „Nehmt mehr Rücksicht aufeinander und habt mehr Nachsicht mit uns Busfahrern, z.B. könnte man auf seine Vorfahrt verzichten, wenn ein Bus aus der Nebenstraße kommt. “

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* § 20 Absatz 5 StVO: : „Omnibussen des Linienverkehrs ist das Abfahren von Haltestellen zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten.“

Autor:

Michael Roeder aus Wilmersdorf

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