Vorerst keine neuen Verträge
Bezirksamt Neukölln reagiert auf „Herrenberg-Urteil“ des Bundessozialgerichts
Sind Volkshochschuldozenten, Lehrer an Musikschulen und Pädagogen in Jugendkunstschulen selbstständig oder Beschäftigte wie andere Angestellte auch?
Darum ging es im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juni 2022, das unter dem Namen „Herrenberg-Urteil“ bekannt geworden ist – und in der Folge Auswirkungen auch auf die Arbeit von Volkshochschulen (VHS), Musik- und Jugendkunstschulen sowie vergleichbaren Einrichtungen haben wird. Die Stadt Herrenberg hatte mit einer Musiklehrerin einen Honorarvertrag als Selbstständige abgeschlossen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund sah darin eine Scheinselbstständigkeit – es kam zur gerichtlichen Auseinandersetzung. Das BSG hat in diesem Einzelfall seine Entscheidung getroffen und festgestellt, dass die Arbeitsbedingungen der Musiklehrerin keinen Raum für eine eigenständige unternehmerische Tätigkeit bieten. Die Lehrerin sei deshalb als Angestellte anzusehen.
In vergleichbarer Situation dürften auch viele freiberufliche Lehrkräfte in Neuköllner Einrichtungen sein. An der Neuköllner Musikschule beispielsweise gebe es derzeit 14 festangestellte, denen rund 300 Lehrkräfte mit Honorarverträgen gegenüberstehen, wie Bezirksamtssprecher Christian Berg auf Anfrage mitteilt. Das BSG-Urteil sofort umzusetzen, würde jedoch die Arbeit der bezirklichen Bildungseinrichtungen aufgrund fehlender Finanzmittel lahmlegen. Daher schließe das Bezirksamt Neukölln derzeit keine neuen Honorarverträge mit VHS-Dozenten ab, wie Berg berichtet, man sei aber auch in der komfortablen Situation, dass die Dozentenschaft durch laufende Verträge gebunden ist.
Auch wenn niemand die betroffenen Bildungseinrichtungen in Neukölln sterben lassen will, gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe für die eingeschlagene Neuköllner Linie. Die könnte in der Sorge begründet sein, sich eventuell wegen unterlassener Zahlung von Sozialabgaben strafbar zu machen. Gleichzeitig soll aber auf den Berliner Senat Druck ausgeübt werden, die Rahmenbedingungen für den Fortbestand dieser Einrichtungen und der Arbeitsmöglichkeit der in ihnen Tätigen an das Urteil anzupassen. Oder neben der notwendigen Schaffung juristischer und organisatorischer Voraussetzungen doch – mindestens erst einmal kurzfristig – die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, das BSG-Urteil umzusetzen. „Wir warten auf Lösungen durch den Senat,“ so Berg.
Autor:Uwe Lemm aus Mahlsdorf |
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