Zwischen Großstadt und "dörflicher" Ruhe
Mit einem Audioguide lässt sich Neukölln literarisch erkunden

Der preußische König Friedrich Wilhelm I. holte 1737 böhmische Glaubensflüchtlinge ins Land, deren Nachkommen ihm mit dieser Statue 1912 im Böhmischen Dorf dankten.  | Foto: Uwe Lemm
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  • Der preußische König Friedrich Wilhelm I. holte 1737 böhmische Glaubensflüchtlinge ins Land, deren Nachkommen ihm mit dieser Statue 1912 im Böhmischen Dorf dankten.
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Sie wohnen erst seit Kurzem in Neukölln, wollen nun Ihren Kiez kompetent gezeigt und erklärt bekommen und dabei kennenlernen? Sie sind an der Geschichte des Bezirks interessiert, haben aber den letzten kostenlosen Stadtspaziergang der Berliner Woche mit Bernd S. Meyer durch Nord-Neukölln verpasst? Dann haben Sie jetzt die Gelegenheit, das nachzuholen. Dazu benötigen Sie nur ein Smartphone und einen Internetzugang.

Nun ist es nur noch notwendig, zwei kostenfreie Audioguides herunterzuladen und loszulaufen. Der erste auf bwurl.de/1ago ist eine stadtgeschichtlich-literarische Führung, die vom Citymanagement der Aktion Karl-Marx-Straße und den Kiezpoeten entwickelt wurde und „dich mit lustigen, nachdenklichen und thematisch passenden Texten bezaubern“ will, wie es in der Einführung heißt. Sie beginnt im Zentrum Neuköllns, am Rathaus, wo der Zuhörer etwas über die Geschichte des Bezirks von Moderatorin Lisa-Maria Olszakiewiecz erfährt.

Ruhe kann man noch heute im Böhmischen Dorf finden, das nur wenige Schritte von der quirlig-lauten Karl-Marx-Straße entfernt ist. | Foto: Uwe Lemm
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Und schon geht es weiter durch das quirlige Leben der Karl-Marx-Straße über den Alfred-Scholz-Platz (früher: Platz der Stadt Hof) in Richtung Stadtbad Neukölln, das Anfang des 20. Jahrhunderts im Stil einer antiken Therme errichtet wurde. Zu hören ist „Von überall her“ von Tanasgol Sabbagh. An dem nach den Ideen des böhmischen Philosophen und Theologen Johann Amos Comenius angelegten und nach ihm benannten öffentlichen Garten ist der Rundgang nun mit einer Lesung von Stefan Unser im böhmischen Dorf angekommen. Das war ursprünglich eine Ansiedlung protestantischer, 1737 aus ihrer Heimat vertriebener Glaubensflüchtlinge aus dem katholischen Böhmen, die noch heute eine überraschende „dörfliche Ruhe“ ausstrahlt.

Nach antikem Vorbild gebaut: das Stadtbad Neukölln. | Foto:  Uwe Lemm
  • Nach antikem Vorbild gebaut: das Stadtbad Neukölln.
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Vorbei an der Statue Friedrich Wilhelms I., der die Flüchtlinge hier angesiedelt hat, und über den Richardplatz, wo der Text „Gekommen um zu bleiben“ von Veronika Rieger gelesen wird, geht es zurück zur Karl-Marx-Straße, in die es jetzt nach rechts einzubiegen gilt. Bevor die Route nach links in die Rollbergstraße abbiegt und zum Sudhaus führt, begegnen den Hörern „Tote Dichter“, die Carl Yusuf Rieger jedoch zu literarischem Leben wiedererweckt.

Hier „tobt“ das Leben: die Karl-Marx-Straße am gleichnamigen U-Bahnhof | Foto: Uwe Lemm
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Die Straße Am Sudhaus führt an der ehemaligen Kindl-Brauerei, einem damals so titulierten „Palast Berliner Bierkultur“, mit dem markanten namensgebenden Sudhaus vorbei. Aus diesen Gebäuden fließt jedoch längst kein Bier mehr, inzwischen ist hier unter anderem Kultur zu Hause: Beispielsweise „48 Stunden Neukölln“ dürfte vielen Bewohnern des Bezirks ein Begriff sein.

Auffällig beim Rundgang sind vor allem die vorhandenen starken Farben der Reihenhäuser. | Foto: Uwe Lemm
  • Auffällig beim Rundgang sind vor allem die vorhandenen starken Farben der Reihenhäuser.
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Nach dem Vortrag eines von Aron Boks geschriebenen und gelesenen Textes endet die Tour an den Neukölln Arcaden und damit unweit von ihrem Ausgangspunkt, dem Rathaus Neukölln. Empfohlen wird noch, am Eingang Bibliothek/Post den Lift zum Parkdeck in die fünfte Etage zu nehmen, wo sich „das Nest vom wohl coolsten Vogel in Berlin“ – dem „Klunkerkranich“ – befindet. Hinter dem ungewöhnlichen Namen verbirgt sich ein Veranstaltungsort für Konzerte, Tanzpartys oder auch Lesungen, der aber auch noch etwas anderes zu bieten hat: Einen Rundblick über Berlin und den Neuköllner Kiez, den man gerade auf knapp vier Kilometern ein wenig besser kennengelernt hat und dabei literarisch unterhalten wurde.

Eingang zum „Hufeisen“: seit 2008 übrigens UNESCO-Weltkulturerbe. | Foto: Uwe Lemm
  • Eingang zum „Hufeisen“: seit 2008 übrigens UNESCO-Weltkulturerbe.
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Wer nun Spaß daran gefunden hat, den Bezirk Neukölln zu Fuß zu erforschen, dem sei an dieser Stelle ein weiterer Audio-Walk empfohlen: Zur zwischen 1925 und 1933 nach Plänen Bruno Tauts errichteten Hufeisensiedlung in Britz mit ihren mehr als 1200 Wohnungen und 679 Reihenhäusern. Zu finden ist der im Internet unter dem Suchbegriff „Audio-Walk Hufeisensiedlung“. Er thematisiert vor allem die Architektur dieses Unesco-Weltkulturerbes und ist mit einer knappen Stunde deutlich kürzer als der Gang durch Neuköllns Zentrum.

Autor:

Uwe Lemm aus Mahlsdorf

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