Über die heilsame Wirkung des Singens
Musiktherapeutin Kordula Voss geht in Krankenhäuser und bringt viele Melodien mit
Eines ist klar: Singen macht etwas mit den Menschen, es löst Gefühle aus und hebt die Stimmung. Dass Singen jedoch noch viel mehr kann, weiß die Neuköllner Diplom-Musiktherapeutin Kordula Voss aus ihrer langjährigen Erfahrung. Sie ist im Vorstand des Vereins Singende Krankenhäuser.
Kordula Voss will Patienten zum Singen bringen und ist mit ihrer Gitarre in Krankenhäusern unterwegs. „Ich komme mir manchmal vor wie der Rattenfänger von Hameln“, sagt sie. Erst seien viele zurückhaltend, hörten erstmal zu, sängen dann heimlich mit, um dann irgendwann in der ersten Reihe zu stehen. Etliche hätten anfangs große Angst vorm Singen, oft aufgrund schlechter Erfahrungen in der Schule, und trauten ihrer Stimme nichts zu.
Dabei sei es eher erstaunlich, wie schnell fast alle die Töne treffen, wenn sie etwas vorsinge, auch wenn das überhaupt nicht wichtig sei. „Unser Kernsatz lautet: Es gibt keine Fehler, nur Variationen.“ Es wird den Patienten auch nicht schwergemacht: Meistens ist die Struktur der Lieder einfach, es gibt wenig Text. Je nach Situation reicht die Palette von indischen Mantras bis zu deutschen Volksliedern.
Um nur die wichtigsten heilsamen Wirkungen des Singens aufzuzählen, muss Kordula Voss tief Luft holen: „Die Menschen geraten in Bewegung, atmen besser, versorgen sich so mit mehr Sauerstoff. Es entstehen Antikörper, die Stresshormone fahren runter, das Kuschelhormon Oxytocin wird ausgeschüttet ebenso wie Serotonin und Dopamin, die in jedem guten Antidepressiva enthalten sind.“ Einer der bedeutsamsten Effekte: Beim gemeinsamen Singen fühlten sich die Menschen miteinander verbunden. Das gehe so weit, dass sich Puls und Herzschlag aufeinander einstellten, so Kordula Voss.
Das tut nicht nur Kranken gut. Deshalb ist der Musiktherapeutin auch sehr recht, wenn Familienmitglieder oder das Krankenhauspersonal mit in den Chor einstimmen. „Und wenn schlechte Stimmung unter den Pflegern ist, habe ich auch schon mit ihnen allein gesungen, oder auch mit Technikern, sogar im Fahrstuhl“, erzählt sie.
Zwei Berliner Einrichtungen dürfen inzwischen das Zertifikat „Singende Krankenhäuser“ tragen, die DRK-Kliniken Westend und das Gemeinschaftschaftshospiz Christophorus am Kladower Damm. Krankenhäuser, die selbst Singgruppen anbieten möchten, können sich beim Verein beraten lassen. Auch Personen, die sich zu Singleitern ausbilden lassen wollen, sind willkommen. Dabei gibt es mehrere Module, aus denen ausgewählt werden kann, zum Beispiel Singen mit Parkinson- oder Krebspatienten, Singen in der Psychiatrie, bei der Trauerbegleitung oder mit dementen Personen.
Gerade bei dementen Menschen zeigt sich Erstaunliches. „Da weiß eine Patientin nicht, was sie gerade gegessen hat, erinnert sich aber an alle Strophen von ‚Am Brunnen vor dem Tore‘“, erzählt Voss. Die Erklärung: Das Musikgedächtnis befindet sich in einem Hirnareal, das am längsten intakt bleibt. So könne mit Liedern an etwas Schönes, Helles im Leben angeknüpft und glückliche Momente beschert werden. Selbst manche Patienten auf der Palliativstation sind empfänglich für Musik. Sie habe Menschen im Wachkoma erlebt, die auf keine Außenreize reagierten, aber bei einer bekannten Melodie begannen mitzusummen.
Kordula Voss will ihren Verein bekannter machen und gehört auch zu den zehn Läuferinnen und Läufern, die im Vorfeld des Berliner Halbmarathons, der am 2. April stattfindet, Geld für ihn sammeln (singende-krankenhaeuser.de/kordula-voss.html).
Weitere Informationen über den Verein und Kordula Voss gibt es unter singende-krankenhaeuser.de und klang-hafen.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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