Vom Corona-Telefon ans Studiomikrofon
Serkan Cetinkaya setzt derzeit sein schauspielerisches Können für die gesundheitliche Aufklärung ein
Serkan Cetinkaya arbeitet nicht nur bei der Neuköllner Corona-Hotline, er ist auch Schauspieler und kennt sich mit dem Produzieren aus. Genau der richtige Mann also, um einen Podcast fürs Gesundheitsamt zu machen. Erst kürzlich hat er einen großen Fisch an Land gezogen und Christoph Maria Herbst, den Stromberg-Darsteller, interviewt.
Wie ist es dazu gekommen? Ganz einfach, Cetinkaya und Herbst sind befreundet. Sie lernten sich 2013 bei den Dreharbeiten zu „Männerhort“ kennen, in denen die beiden neben Elyas M’Barek und Detlev Buck die Hauptrollen spielten. „Ich war ein großer Fan von Christoph, wollte ihn aber nicht direkt ansprechen. Irgendwann kam er auf mich zu und sagte: ‚Du spielst super.‘ Das war ein Ritterschlag für mich und ich wurde viel selbstbewusster in meiner Rolle“, erzählt Cetinkaya.
Trägheit und „Genöle“
Der Kontakt riss nicht ab. Und so kommt es, dass nun ein halbstündiges Interview unter gesundheitsamtneukoelln.podigee.io zu hören ist. Darin erklärt Christoph Maria Herbst, warum er nach fast zehn Jahren wieder in die Rolle des Büroekels Bernd Stromberg geschlüpft ist. Nämlich um in 30-Sekunden-Spots zu provozieren und blöde Sprüche über Corona zu machen – mit dem Ziel, die Menschen zum Impfen zu bewegen. Die Idee dazu sei ihm „mit einem Gläschen Weißwein im Kopp“ gekommen. Er habe sich über die Trägheit der Menschen aufgeregt und das sofort einsetzende „Genöle“, als der lang ersehnte Impfstoff endlich da war. Außerdem plaudert der Schauspieler unter anderem auch über die Filmwirtschaft und seine eigenen Impfungen.
Serkan Cetinkaya hat seit Oktober 2020 weit über 60 Podcasts online gestellt, inzwischen gibt es fast 8000 Abonnenten. Viele Beiträge drehen sich um Corona, der neueste um die aktuell gültigen Regeln. Aber auch Interviews zum sozialpsychiatrischen Dienst, zu Krebs, Behinderungen und Aids oder zur Frauenkrankheit Endometriose sind zu finden. In den nächsten Wochen stehen Hebammen, ein Interview mit der neuen Gesundheitsstadträtin Mirjam Blumenthal (SPD) und die Verabschiedung ihres Vorgängers Falko Liecke (CDU) auf dem Sendeplan.
Cetinkaya hat als Schauspieler, Koproduzent und Autor schon einiges gemacht. Im Jahre 2006 wurde er mit seinen YouTube-Auftritten als „Tiger – die Kralle von Kreuzberg“ bekannt, in denen er den männlichen Klischee-Türken à la „Was guckst du?“ auf die Schippe nahm. Es folgten wöchentliche Folgen im rbb. In der RTL-Serie „Beck is back!“ spielte er Arslan, einen turkmenischen Hähnchengrill-Betreiber und, und, und. Doch dann kam Corona.
„Ich hatte das erste Mal im Leben Panikattacken“, erzählt er. Wie sollte er fortan die Miete bezahlen? Wie seinen Teil zum Familieneinkommen beisteuern? Arbeitslosengeld konnte er abschreiben, dazu hätte er während der vergangenen zwei Jahre mindestens sechs Monate in Lohn und Brot stehen müssen. Diesen Nachweis können aber viele Schauspieler nicht erbringen, denn oft drehen sie konzentriert am Stück, haben dann längeren Leerlauf oder widmen sich eigenen Projekten. „Vom Prime-Time-Auftritt zu Hartz IV: Viele in der Kreativszene hatten und haben Riesenprobleme“, sagt er.
Podcast als „Feierabendfunk“
Er spielte mit dem Gedanken, Postausfahrer zu werden oder im Supermarkt Regale einzuräumen. Doch dann entdeckte er eine Anzeige des Gesundheitsamts und bewarb sich. Das sei im Gegensatz zu anderen in der Stadt sehr offen für Quereinsteiger, so Cetinkaya. Allerdings laufen seine Podcasts für ihn bis heute unter der Überschrift „Feierabendfunk“, weil seine Hauptaufgabe die Hotline bleibt. Er macht sich jedoch dafür stark, dass mehr digitale Formate Eingang in die Verwaltung finden. Schließlich sei die Verwaltung für die Bürger da, und die nutzten immer stärker die Sozialen Medien. „Für diesen Bereich sollte auf jeden Fall mehr Personal eingesetzt und mehr Geld ausgegeben werden“, sagt er.
Er jedenfalls kann sich eine Zukunft als Kommunikationsexperte in der Verwaltung durchaus vorstellen. Auch weil er nun endlich einmal echte Wochenenden hat – mit Zeit für die Familie. „Was sich für den 20-Jährigen als Gefängnis anfühlt, kann für den 40-Jährigen befreiend sein.“
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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