Sauberes Cannabis im Laden kaufen
Berlinweit einzigartiges Modellprojekt soll im Sommer starten

Haben ihre Zusammenarbeit besiegelt: Bürgermeisterin Clara Herrmann, Stadtrat Hannes Rehfeldt, Finn Hänsel von der Sanity Group und Professor Christian Ulrichs von der Humboldt-Universität. | Foto:  Schilp
  • Haben ihre Zusammenarbeit besiegelt: Bürgermeisterin Clara Herrmann, Stadtrat Hannes Rehfeldt, Finn Hänsel von der Sanity Group und Professor Christian Ulrichs von der Humboldt-Universität.
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Die Bezirke Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg wollen gemeinsam ein Cannabis-Modellprojekt starten. Die Idee: Marihuana wird in kontrollierten Verkaufsstellen abgegeben. Das Ganze ist auf fünf Jahre angelegt und wird wissenschaftlich begleitet.

Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) und Neuköllns Gesundheitsstadtrat Hannes Rehfeldt (CDU) unterzeichneten am 11. Dezember eine Erklärung, beim Projekt mit der Humboldt-Universität (HU) und der Sanity Group, einem auf Cannabisprodukte spezialisierten Unternehmen, zusammenzuarbeiten. Ein Antrag bei der zuständigen Behörde beim Bund folgt. Läuft alles reibungslos, könnte es im Frühsommer nächsten Jahres losgehen.

Finn Hänsel von der Sanity Group schätzt, dass in den beiden Bezirken insgesamt rund 70 000 Personen mehr oder weniger regelmäßig kiffen, das ist jeder Zehnte. Das große Problem: Trotz der Teillegalisierung vom 1. April 2024 (Cannabis darf nun selbst oder in einem „Social Club“ angebaut werden) spielt sich der Kauf nach wie vor hauptsächlich auf dem Schwarzmarkt ab. Stichprobenanalysen haben gezeigt, dass 70 Prozent dieses Marihuanas stark verunreinigt sind. „Haarspray für mehr Glanz, Sand, um das Gewicht zu erhöhen, Pestizide, Fäkalien, Spuren anderer Drogen wie Kokain“, zählt Hänsel auf. Fazit: Es fehlt an legalen Möglichkeiten, an sauberes Marihuana zu kommen.

Das sieht auch Hannes Rehfeldt so. Im Gegensatz zur Friedrichshain-Kreuzberger Bürgermeisterin hält er die Teillegalisierung zwar für falsch, „aber wir müssen mit dem neuen Gesetz leben und Ordnung ins Chaos bringen. Jeder Euro, der nicht in der Hasenheide ausgegeben wird, ist ein Erfolg“, sagt er. Cannabis werde nun einmal konsumiert, jetzt gehe es darum, die Gefahren für die Gesundheit zu verringern und für qualifizierte Beratung zu sorgen.

Denn in den Fachgeschäften soll nicht nur Cannabis in medizinischer Qualität zum schwarzmarktüblichen Preis von etwa neun bis zwölf Euro pro Gramm verkauft werden, auch geschultes Personal ist vor Ort, das die Konsumenten informiert. Zum Beispiel darüber, dass es gesünder ist, das Gras nicht mit Tabak vermischt zu rauchen, sondern zu verdampfen. Maximal pro Person abgegeben wird die gesetzlich erlaubte Menge, 50 Gramm im Monat. Für 18- bis 21-Jährige gelten Sonderregeln, sie bekommen ausschließlich Marihuana mit einer geringeren Konzentration des THC-Wirkstoffs.

Mindestens 2000 Menschen sollen bei dem Projekt mitmachen, es dürfen aber auch wesentlich mehr werden. Sie erhalten einen Ausweis mit Pseudonym. Das Personal liest ihn digital aus und kann nachvollziehen, wo welche Produkte und Mengen an wen verkauft worden sind. Wer sich für eine Teilnahme interessiert, muss mindestens zwei Jahre dabei bleiben, in einem der beiden Bezirke leben und bereit zu regelmäßigen wissenschaftlichen Befragungen der HU sein. Die Uni möchte beispielsweise herausfinden, ob der unkomplizierte Kauf zu stärkerem oder schwächerem Konsum führt oder ob die Kunden im Laufe der Zeit mehr oder weniger THC-Gehalt bevorzugen. Über den Fortgang des Projekts kann sich jeder unter www.grashausprojects.de informieren.

Nun gilt es abzuwarten, ob und wann es grünes Licht vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gibt. Falls alles klappt, steht die Suche nach Verkaufsräumen an. In jedem Bezirk soll es zwei bis drei Läden geben. Dass sie den Cannabiskonsum befeuern, glaubt Finn Hänsel nicht. In den liberalen Niederlanden, wo es seit Jahrzehnten Shops gibt, sei der Pro-Kopf-Verbrauch nicht höher als hierzulande, sagt er. Letztendlich ist auch geplant, dass die Bezirke vom Verkaufsprofit etwas abbekommen. Das Geld soll in Drogen-Präventionsangebote, Obdachlosenprojekte und ähnliches fließen.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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