„Es ist leider Realität“
Bezirksamt informiert Schulen und Jugendeinrichtungen über Zwangsheiraten

Die Sommerferien sollten eine unbeschwerte Erholungspause sein, aber jedes Jahr werden während dieser Zeit Jugendliche – in den allermeisten Fällen Mädchen – im Ausland zwangsverheiratet. Um das zu verhindern, hat das Neuköllner Bezirksamt Informationen an Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen verschickt.

Laut einer berlinweiten Erhebung gab es im Jahre 2022 rund 500 Fälle von (drohender) Zwangsverheiratung. Die Dunkelziffer liegt weit höher. Rund 90 Prozent der erzwungenen Eheschließungen fand im Ausland statt, meist in den großen Ferien. Die überwiegende Zahl der Betroffenen ist in Deutschland aufgewachsen. Bürgermeister Martin Hikel (SPD) sagt: „Es ist leider Realität, dass Mädchen und junge Frauen zur Heirat gezwungen werden. Viele von ihnen kehren nie wieder nach Deutschland zurück.“ Deshalb gelte es, die Augen offen zu halten – in allen Einrichtungen, wo Jugendliche unterwegs sind.

Zwangsverheiratung ist eine Menschenrechtsverletzung und eine Straftat, die mit Haftstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren bestraft wird. Außerdem gibt es seit 2017 ein Gesetz gegen Frühehen. Seitdem liegt das Mindestheiratsalter in Deutschland ausnahmslos bei 18 Jahren. Das gilt sowohl für Personen deutscher als auch nichtdeutscher Staatsangehörigkeit. Eine eingegangene Frühehe im Ausland ist in Deutschland aufhebbar. Ist einer der Ehepartner unter 16 Jahre alt, gilt sie als nicht geschlossen.

Isoliert und kontrolliert

Aber oft haben die Zwangsverheirateten keine Möglichkeit, hierher zurückzukehren. Ihnen werden Bargeld, Handy und Pass abgenommen, sie werden isoliert und kontrolliert. Deshalb lautet eine der Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte und Sozialarbeiter: Wenn ein Verdacht auf Zwangsehe besteht, sollte alles versucht werden, die Auslandreise zu verhindern. Ist das nicht möglich, sollten die Jugendlichen Geld, Kopien des Passes und des Rückflugtickets sowie ein Handy und die Adresse der deutschen Botschaft versteckt dabeihaben und weitere Kopien bei einer Vertrauensperson in Berlin hinterlegen.

Das Schreiben des Bezirksamts nennt außerdem Ansprechpartner in Neukölln, Berliner Beratungsstellen und Informationen zur Bekämpfung von Frühehen. Weiteres ist zu erfahren im Internet unter bwurl.de/1a8xhttp://www.berlin.de/ba-neukoelln/politik-und-verwaltung/beauftragte/gleichstellung/artikel.149890.php.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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