Zwei Neuköllner Streitschlichter stellen sich vor
Christine Schmidt-Statzkowski und Malte Priesmeyer bringen verärgerte Nachbarn an einen Tisch

Malte Priesmeyer mit Kollegin Christine Schmidt-Statzkowski vor seiner Haustür. Daneben hängt sein Dienstschild. | Foto: Schilp
  • Malte Priesmeyer mit Kollegin Christine Schmidt-Statzkowski vor seiner Haustür. Daneben hängt sein Dienstschild.
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Sei es der Lärm von nebenan oder die kleine Beleidigung über den Gartenzaun: Anlässe zum Streiten gibt es viele. Doch niemand muss gleich zum Anwalt laufen oder Anzeige erstatten. Der Weg zur Schiedsperson ist einfacher, nervenschonend – und wesentlich billiger. Zwei, die dieses Ehrenamt in Neukölln bekleiden, sind Christine Schmidt-Statzkowkski und Malte Priesmeyer.

Schiedspersonen könnten zwar in etlichen Angelegenheiten schlichten, sie hätten aber in ihren knapp fünf Jahren fast nur mit Nachbarschaftskonflikten zu tun gehabt, erzählt Schmidt-Statzkowkski. Dabei kann es genauso um die pinkelnde Katze oder den krähenden Hahn von nebenan gehen wie um Wegerechte oder den Anwohner, der im Garten ein Tier schächtet. „Der Klassiker: Einer baut einen Carport direkt neben der Terrasse des anderen“, sagt Priesmeyer, der seit Kurzem als Schiedsmann in Britz tätig ist. Oder von der blühenden Linde tropft klebrige Masse auf den Gartentisch des Nachbarn. Oder es geht um ein paar Zentimeter, die der Gartenzaun in ein fremdes Grundstück hineinragt.

Lösung in zwei Drittel der Fälle

Das Ziel der Schiedspersonen ist es, den Streit unparteiisch mit beiden Seiten zu verhandeln. In zwei Drittel der Fälle werde auch eine Lösung gefunden. „Am Ende gehen entweder alle oder keiner als Sieger vom Platz“, so Priesmeyer. Wie so ein Verfahren genau abläuft, erklärt Christine Schmidt-Statzkowski. Wenn sich jemand an sie wendet, schaut sie zuerst, wo der andere, der „Beklagte“, wohnt. Danach richtet es sich, welcher Schiedsbezirk zuständig ist. Fällt die Angelegenheit in ihren Bereich, lädt sie den Antragsteller zum Gespräch ein – in der Regel bei ihr zu Hause. Er darf eine Begleitperson mitbringen und schildert sein Anliegen. Ist alles geklärt, zahlt er 45 Euro und alles wird natürlich schriftlich festgehalten. „Und ausschließlich über diese Punkte sprechen wir dann auch später“, sagt sie.

Ist der Gegner mit einem Schlichtungsversuch einverstanden, lädt Schmidt-Statzkowski ihn ebenfalls ein. Auch er hat die Möglichkeit zu einem Vorgespräch mit einer Begleitung. Dann wird ein Termin vereinbart, und die Streithähne setzen sich an einen Tisch. „Erst mal herrscht normalerweise Eiseskälte“, berichtet sie. Oft gelinge aber eine gütliche Einigung, und die Kontrahenten könnten über ihre Verärgerung reden – und manchmal auch herausfinden, dass die Wurzel des Konflikts ganz woanders liegt; als behauptet. Kommt es zu einer Vereinbarung, mit der beide leben können, gibt es ein Protokoll, das 30 Jahre Gültigkeit hat. „Verstößt einer gegen die Festlegungen, kann der andere damit vor Gericht gehen und klagen. Unser Dienstsiegel wiegt wie ein Urteil“, so Schmidt-Statzkowski. Zum Schluss rechnen die Schiedsleute ab. Wie viele Kilometer sind sie gefahren, wie viel Schriftverkehr haben sie erledigt? Nicht selten bekommt der „Kläger“ Geld zurück.

Wahl durch Bezirksverordnete

Es sind die Bezirksverordneten, die die Schiedspersonen wählen, die sich zuvor für diese Aufgabe beworben haben. Eine Amtsperiode dauert fünf Jahre. Das Bezirksamt ist für die sachliche Ausstattung wie das Siegel, das Dienstschild oder den Mitgliedsbeitrag für den „Bund Deutsche Schiedsmänner und Schiedsfrauen“ zuständig. Die Dienstaufsicht führt das Amtsgericht.

Für juristische Fragen haben sich die beiden Neuköllner Schiedsleute schon immer interessiert. Christine Schmidt-Statzkowski hat auch in ihrem Beruf als selbstständige Pflege-Sachverständige ständig mit Gerichtsbarkeit zu tun. Malte Priesmeyer arbeitet im öffentlichen Dienst und hat „früher mal ein paar Semester Jura studiert“, wie er sagt. Er wünscht sich mehr Neuköllner, die sich an ihn und seine Kollegen wenden. „Wir sind nicht ausgelastet, das Angebot ist immer noch zu wenig bekannt“, sagt er. In Flächenländern sei das häufig anders. Da würden viele ihre Schiedspersonen kennen, auch weil das nächste Gericht weit weg ist. „Es gibt Gegenden, wo es sogar vorgeschrieben ist, sich bei kleineren Konflikten erst einmal an eine Schiedsstelle zu wenden. Und das ist ja auch richtig so, die Gerichte sind schließlich überlastet.“

Neuköllner Schiedspersonen und Kontaktdaten unter https://bwurl.de/16xa.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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