"Es gibt keinen falschen Glauben"
Neukölln schafft neue Beratungsstelle gegen „aggressive Religionsbekundungen“

Niemand sollte wegen seines Glaubens oder auch Nichtglaubens beschimpft, beleidigt oder gemobbt werden. Weil das aber passiert, will Neukölln eine „Anlauf- und Registerstelle gegen konfrontative Religionsbekundungen“ einrichten. Nach anfänglichen Bedenken hat das Bundesfamilienministerium nun zugestimmt.

Die Arbeit soll möglichst schnell losgehen. Die Förderung läuft nämlich erst einmal nur bis Ende des Jahres. Der Grund dafür ist, dass der Bund nach der Wahl einen neuen Haushalt aufstellen muss. Bis dahin sind keine neuen und nicht zwingend erforderlichen Ausgaben möglich. Der Bezirk Neukölln ist aber optimistisch, dass es eine Anschlussfinanzierung geben wird.

Das Zögern des Ministeriums erklärt Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) damit, dass die Verantwortlichen zunächst vorschlugen, das Thema an eine andere Beratungsstelle anzudocken. Doch er habe sie überzeugt, dass das Problem gesondert betrachtet werden müsse. Mit dem Aufbau der Einrichtung ist der Verein für Demokratie und Vielfalt in Schule und beruflicher Bildung (Devi) beauftragt. Er engagiert sich seit Jahren in Schulen, um konfrontativen Religionsbekundungen vorzubeugen.

Bürgermeister Martin Hikel (SPD) sagt, die Botschaft des Bezirks sei, dass es keinen „falschen“ Glauben gebe. „Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden, ob mit oder ohne Glauben, ob mit Moscheebesuch oder ohne.“ Egal ob es um christliche, muslimische Religionsausübung oder einen Minderheitsglauben gehe – Mobbing sei nicht akzeptabel. Der Bedarf für eine Anlaufstelle bestehe. Es kämen viele Anfragen von Mitarbeitern aus Schulen oder Vereinen, die unsicher seien, wie sie mit aggressiven Religionsbekundungen umgehen sollten. „Sie werden künftig die richtige Beratung erhalten“, betont der Bürgermeister.

Es gehe nicht um Einzelfälle, sondern um Strukturen, betont Liecke. „Wenn junge Mädchen zum Tragen eines Kopftuchs genötigt werden, muslimisch aussehende Frauen beleidigt werden, weil sie Schweinefleisch kaufen, Nichtmuslime als Ungläubige ausgegrenzt und rassistisch beleidigt werden, ist das ein Problem für das friedliche Zusammenleben.“ Nicht immer stecke tatsächliche religiöse Radikalisierung dahinter, gerade Jugendliche trügen auf diese Art und Weise manchmal andere Konflikte aus, so Liecke. „Genau hinsehen müssen wir aber in jedem Fall.“

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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