Die Neuköllner Brückenbauerinnen
Seit 18 Jahren besuchen die Stadtteilmütter Familien und führten bisher mehr als 150.000 Gespräche
Die 20. Generation der Stadtteilmütter ist in Neukölln unterwegs. Anlässlich dieses Jubiläums hat Bürgermeister Martin Hikel (SPD) kürzlich die 74 Frauen im Rathaus empfangen, die derzeit Familien mit Migrationshintergrund beraten.
Acht der Stadtteilmütter erhielten während des Treffens gleichzeitig ihr Ausbildungszertifikat und den roten Schal, ihr Erkennungszeichen. Als das Projekt vor 18 Jahren startete, war eine kleine Gruppe türkischsprachiger Frauen im Schillerkiez aktiv. Heute sind 15 Sprachen vertreten – von Albanisch über Arabisch und Hindi bis hin zu Urdu. Mehr als 15 000 Familien wurden jeweils mindestens zehnmal besucht, das sind alleine 150 000 Gespräche. Dabei informierten die Stadtteilmütter über Erziehung, Bildung, Gesundheit, Anlauf- und Beratungsstellen. Außerdem geht es auch um Themen wie Kinder- und Frauenrechte sowie um Möglichkeiten, sich gesellschaftlich zu beteiligen.
Erste Erwerbstätigkeit überhaupt
Bis heute hat das Diakoniewerk Simeon, Kooperationspartner des Bezirksamts, 486 Neuköllner Frauen mit Migrationshintergrund in sechsmonatigen Lehrgängen zu Stadtteilmüttern ausgebildet. Für viele von ihnen war es die erste Erwerbstätigkeit überhaupt. „Die Stadtteilmütter sind Vorbilder – in ihren Familien, aber auch für andere Mütter und Großmütter. Sie leben vor, wie ein selbstbestimmtes Leben möglich ist, und unterstützen gleichzeitig Tausende Neuköllner Familien. Ohne ihre Arbeit wäre Neukölln ein anderer Ort“, sagt Bürgermeister Hikel.
Bis 2020 haben die Stadtteilmütter auf Zeit im Rahmen von Beschäftigungsmaßnahmen gearbeitet. Danach wurde das Projekt verstetigt, seitdem ist rund die Hälfte der Frauen über das Landesprogramm der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie fest angestellt und wird nach Tarif bezahlt.
Das Neuköllner Modell hat längst Schule gemacht: Auch in anderen Berliner Bezirken sind heute Stadtteilmütter als Brückenbauerinnen unterwegs. Viele von ihnen haben in ihrem Job erfahren, wie wichtig Mitwirkung ist, und sind über ihre Kernaufgaben hinaus aktiv. Sie sitzen in Quartiersmanagementbeiräten, sind Mitglieder in Vereinen, Elternvertreterinnen in Schulen ihrer Kinder, Stadtführerinnen in ihrem Kiez. Andere beschäftigen sich mit Themen wie Flucht, Geschichte, Rassismus und Kunst.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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