Hang zum "geselligen Wasserlassen"
Staatssekretärin erklärt das Phänomen einer vor allem männlichen Unart
Zehn öffentliche Toiletten an Neuköllner Straßen und Plätzen wurden in den vergangenen Jahren mit kostenlosen Pissoirs ausgestattet. Ziel ist es, den Passanten den Anblick von „Wildpinklern“ zu ersparen.
Das teilt Britta Behrendt, Staatssekretärin bei der Senatsumweltverwaltung, auf eine Anfrage von Katalin Gennburg mit. Die Linke-Abgeordnete wollte unter anderem wissen, wie die Standorte für die Pissoirs ausgewählt werden. Dies würden die Bezirke entscheiden, die sich danach richten, wo die Problematik am größten ist, antwortete Behrendt.
Nebenbei: In der Öffentlichkeit zu urinieren, ist eine Ordnungswidrigkeit. Im deutschen Städtevergleich kommen die Berliner Pipi-Sünder allerdings mit 20 Euro Bußgeld äußerst glimpflich davon. Aber auch die kostenfreien Pissoirs gefallen nicht jedem. Denn sie haben keinen vollständigen Sichtschutz, sodass Vorbeigehende, natürlich auch Kinder, in sie hineinschauen können. Das wurde so gemacht, damit sich dort niemand länger als nötig aufhält und beispielsweise Drogen konsumiert.
Acht der zehn Neuköllner Pissoirs befinden sich im Norden des Bezirks: am Herrfurth-, Kranold-, Boddin- und Weichselplatz, an der Lessinghöhe und dem S-Bahnhof Hermannstraße, in der Hasenheide und an der Ecke Sonnen- und Grenzallee. Eine weitere Notdurft-Nische gibt es in Britz an der Fulhamer Allee gegenüber der Hausnummer 34, ebenfalls eine in Rudow an der Ecke Groß-Ziethener und Waltersdorfer Chaussee.
Alle wissen, dass die Blase schlimm drücken kann, und haben unter bestimmten Umständen Verständnis für „Wildpinkler“. Während sich jedoch Frauen im absoluten Notfall in die Büsche schlagen, pullern nicht wenige Männer recht ungeniert an den nächsten Straßenbaum. Warum ist das so? Auch das fragte Katalin Gennburg. Die Staatssekretärin hatte gleich mehrere Erklärungsmöglichkeiten in petto, die während der Erstellung des Berliner Toilettenkonzepts 2017 diskutiert wurden. Männer tränken häufiger Alkohol an öffentlichen Orten, das enthemme. Ein plötzlicher Harndrang könne aber auch die Folge einer vergrößerten Prostata sein. Als wichtigsten Punkt nennt sie die Erziehung, die Jungen nicht selten vermittelt, dass das Urinieren unter freiem Himmel, im Stehen und auch in Gesellschaft in Ordnung sei.
Das „Sozialpinkeln“ finde sogar in öffentlichen Toiletten statt. Behrendt zitiert das Amtsgericht Lübeck mit der Aussage, dass „unter anderem an durchgehenden Pissoirs, an Rinnen oder sonstigen offenen Abtritten das gesellige Wasserlassen“ stattfinde. Und Natalie Eßig, Münchner Professorin für Baukonstruktion und Bauklimatik, hat sich Männergruppen bei Heimspielen des FC Bayern München beobachtet. Sie schreibt: „Meist gibt es einen Initianten, der das freie Wasserlassen eröffnet. Ein Alpha-Männchen, das sein Revier markiert.“
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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