Heimat für 4400 Wasserratten
Die Schwimm-Gemeinschaft Neukölln blickt trotz Corona auf eine erfolgreiche Saison zurück – und freut sich auf die neue
Wie hat Berlins größter Schwimmverein die Corona-Krise bisher überstanden? Erstaunlich gut. Er nimmt sogar etwas aus der harten Zeit mit und ändert einige Regeln.
Im Sportbad am Kleiberweg, im südöstlichen Zipfel von Britz, ist seit Ende Mai wieder Leben eingezogen. Schon am späten Vormittag sonnen sich vorwiegend ältere Herrschaften auf den Wiesen. Etliche von ihnen sind schon seit vielen Jahren Mitglieder der Schwimm-Gemeinschaft Neukölln und kommen regelmäßig, um ein paar Runden im Wasser zu drehen, sich zu entspannen und Freunde zu treffen. „Aber natürlich haben auch wir unter der Krise gelitten. Von November bis jetzt gab es keine Sportangebote, weder hier noch im Kombibad Gropiusstadt, wo wir normalerweise im Winter Trainingszeiten haben“, sagt Jochen Hanz, Geschäftsführer des Vereins. Eine Ausnahme war für die unter 14-Jährigen möglich, sie durften auf der Wiese Sport treiben. Die Älteren mussten draußen bleiben, konnten jedoch regelmäßig vor dem heimischen Computerbildschirm Übungen machen. Übertragen wurden sie aus dem Gymnastikraum des Bades, präsentiert von einem Trainer. Die echten Leitungssportler, die an großen Wettbewerben teilnehmen, schränkte die Krise nicht wesentlich ein. Sie trainierten wie üblich im Sportforum Hohenschönhausen und in der Schwimm- und Sprunghalle im Europapark an der Landsberger Allee. „Dort ist die Ausstattung ideal, es gibt medizinische und wissenschaftliche Betreuung, Karriereberatungen, Krafträume und vieles mehr“, so Hanz.
Er kennt sich dort aus, denn an sportlichen Assen mangelt es der Schwimm-Gemeinschaft nicht. Seit 1986 stellt der Verein mindestens einen Olympiateilnehmer. Dieses Jahr in Tokio dabei sind der 23-jährige Ole Braunschweig über 100 Meter Rücken und 4x100 Meter Lagen sowie die 21-jährige Leonie Kullmann über 400 Meter und 4x200 Meter Freistil. Mit etwas Glück wird auch Oles 20-jähriger Bruder Malte Braunschweig zu den Paralympics reisen.
Doch das Gros der 4400 Mitglieder sind Freizeitsportler. Im vergangenen Jahr durften sie – wie auch in diesem – ab Ende Mai ins Schwimmbecken. „Die Saison ist trotz Corona sehr gut gelaufen“, erzählt Hanz. Die Mitglieder hätten die Hygieneregeln und das Schwimmen mit Abstand gut akzeptiert. Dazu wurden Doppelbahnen eingerichtet, die fünf statt der üblichen zweieinhalb Meter breit waren. Auf der ersten Hälfte ging es in die eine, auf der zweiten in die andere Richtung, sodass die Schwimmer sich nicht in die Quere kamen und in engen Kreisen schwammen.
Dankbar für die Treue
Außerdem wurden die Außenbahnen für die Langsameren, die eher gerne per Leiter ins Wasser gehen, reserviert. Die Innenbahnen standen den Schnelleren, die per Sprung ins Nass tauchen, zur Verfügung. „Beide Regeln werden wir beibehalten, wenn wir Bahnen beleinen. Da hat uns Corona tatsächlich etwas gebracht“, sagt Hanz. Zwar sei ein leichter Mitgliederschwund zu verzeichnen, das habe aber nicht an überdurchschnittlich vielen Austritten, sondern an weniger Eintritten in den Verein gelegen. „Ich bin dankbar für die Treue“, so der Geschäftsführer.
Die Schwimm-Gemeinschaft Neukölln ist aber auch etwas ganz Besonderes. Als berlinweit einziger Verein hat sie ein echtes Freibad zur Verfügung, mit einem 50 mal 25 Meter großen Becken, Liegewiesen und allem Drum und Dran. Eigentümer sind die Berliner Bäder-Betriebe, mit ihnen wurde ein Nutzungsvertrag abgeschlossen. Rund 20 000 Quadratmeter ist das Gelände groß. Es gibt ein Tartanfeld für Basket- und Fußballer, eine Beachvolleyballanlage, es kann Schach und Tischtennis gespielt werden. Eine ehrenamtliche Gartengruppe kümmert sich um die Blumen. Auch eine Gaststätte ist vor Ort.
Der Verein bietet neben Schwimmen und Wasserball auch Gesundheitssport wie Rückenschule und Zumba. Eine Jugendabteilung kümmert sich um Veranstaltungen zu Festen wie Ostern, Nikolaus, Halloween und Fasching. Im Sommer gibt es Ferienschwimmkurse, die sehr gefragt sind. Regelmäßig steht das Bad auch Schulen und Kitas offen.
Das Sportbad Britz gibt es seit über 60 Jahren. Das hat seinen Grund: Ende der 1950er-Jahre verbot das Land Berlin nämlich das Schwimmen im Teltow- und Landwehrkanal, also siedelten sich auf dem Gelände drei Neuköllner Vereine an: die Schwimm-Union, der Schwimm-Club und die Freien Schwimmer. Spätestens seitdem 1996 mit vereinten Kräften ein neues Becken finanziert wurde, stand jedoch für das Trio fest: Gemeinsam ist es einfacher. Also fusionierten sie im Jahre 1997 zur Schwimm-Gemeinschaft Neukölln.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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